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Stirbt die Deutschrock-Szene aus?

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Rock’n’Roll never dies… ein Zitat von Neil Young. Wenn du diesen Artikel aufgerufen hast, könntest du bereits eine vage Vermutung anstellen, was uns zu dieser Glosse bewogen hat. Die Vögel pfeifen es bereits hysterisch von den Dächern und auch du wirst dich mit hoher Wahrscheinlichkeit einmal über dieses Thema unterhalten haben, denn wir alle, ihr als deutschrockbegeistertes Publikum und auch wir als genreorientiertes Online-Magazin, sind davon betroffen.

Um nur einige Beispiele zu nennen:
Bereits im letzten Jahr sagten SPV die Laute Helden Tour mit Saitenfeuer, hopscotch und TXL ab. Im selben Jahr sagten Berserker aus Berlin ebenfalls ihre Tour ab.  Selbst Größen wie Crematory verzeichnen geringe Ticketabsätze für ihre aktuelle Tour, mit denen sie ihren kürzlichen Aufruf auf Facebook rechtfertigen. Jahresabschlusskonzerte und „Heimspiele“ weniger bekannter Bands beschränken sich viel zu oft auf einige wenige verkaufte Tickets. Über die Jahre sind auch die Verkaufszahlen einiger unserer geliebten Festivals zurückgegangen. Stark zurückgegangen. Das Feuer & Eis Festival (in dem Fall aus anderen Gründen), das legendäre Ehrlich & Laut und auch das Riebitz Festival nahe Jena finden heuer schon gar nicht mehr statt.

Die Rede ist in erster Linie von mangelnden Verkaufszahlen. Die „Deutschrockszene“ wird dominiert von einigen wenigen Interpreten und Veranstaltungen, die den Wachstum kleinerer Bands und Festivals einschränken, da das Hauptaugenmerk der Zielgruppen ihren Fokus in bereits ausgereiften Events findet. Darüber hinaus scheint der Markt im Deutschrockgenre überflutet. Bands und Festivals schießen dabei wie Pilze aus dem Boden. An der Spitze der meisten Festivals liest man zu oft dieselben Namen als Headliner, was ebenfalls unter den Besuchern als Argument gilt, eine Veranstaltung nicht zu besuchen. Ob die zu Beginn genannten Umstände zeitgleich mit einem Comeback der Onkelz und anderen Phänomenen seinen Ursprung finden ist und bleibt reine Spekulation. Eines jedoch lässt sich nicht bestreiten: Die Deutschrockszene schrumpft!

Das Risiko, unterstellt zu bekommen, mit polemischen Äußerungen um uns zu werfen und ungewollte Querele zu erzeugen, gehen wir gerne ein. Ziel dieses Artikels ist es, zum Nachdenken anzuregen.

An dieser Stelle ist es uns ein Anliegen zu erwähnen, dass wir keiner Band und keinem Veranstalter jemals die Schuld für diese Problematik zuschieben sollten. Die meisten Veranstalter im Deutschrockbereich geben Newcomerbands jedes Jahr aufs Neue einen Slot im Line-Up und bieten ihnen damit neue Chancen auf dem Markt. Vielmehr sprechen wir mit dieser Kritik den Verbraucher direkt an und möchten mithilfe eines aus Facebook geklauten Zitats appellieren: „Erst wenn der letzte Club geschlossen und der letzte Künstler abgetreten ist, wirst du erkennen, dass man geile Atmosphäre nicht „downloaden“ kann. Geh‘ zu den Konzerten und unterstütze deine Bands!

In diesen Zeiten gründen Musiker Independent-Label, sie bekommen geringe Gagen und fahren für ihre Gigs durch die halbe Republik, die Newcomer schließen sich zusammen, um gemeinsam an Reichweite zu gewinnen, da sie zu selten größere Bühnen geboten bekommen. Hinzu kommt, dass etablierte Bands der Deutschrockszene urplötzlich absagen und von „Weiterentwicklung“ sprechen. Unbekanntere Acts referieren über hohe Kosten und geringe Aufstiegschancen. Ganz klar, man muss für seinen Erfolg oft hart und viele Jahre kämpfen, jedoch fällt auf, dass sich wahre Schätze in den Tiefen eines überfluteten Marktes befinden, die nie, zu selten oder viel zu spät vom Meeresgrund geborgen werden. Auch dir als Leser fallen dabei bestimmt eine Hand voll Beispiele ein, die von der Öffentlichkeit leider viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommen. Ich werde einen Kommentar nicht vergessen: „Die Leute haben Scheuklappen auf, sie bleiben bei ihren zwei, drei Bands und sind nicht wirklich offen für Neues…“. Selbstverständlich darf jede/r hören und nicht hören, was ihr oder ihm beliebt, doch sollte sich jeder einmal den Gefallen tun und auch die Vorbands auf Konzerten besuchen. Gebt den Opener-Bands auf Festivals eine Chance und leiht ihnen euer Ohr. Durchforstet das Label eurer Lieblingsband auf bisher Ungehörtes, besucht Konzerte unbekannter Bands und supportet eure „local crew“. Wer hätte es gedacht? Urplötzlich ergänzt sich euer Musikbrevier um weitere großartige Bands. Eines ist dabei ganz wichtig: Hört auf euch künstlich und vor allem unberechtigt über ungewohnt hohe Ticketpreise aufzuregen. Die Jungs und manchmal auch Mädels, die sich allein für euch auf die Bühne stellen, zahlen oftmals ein Vielfaches eurer Kosten für Technik, Instrumente, Anreise und viele weitere notwendige Einzelheiten.

Auch wir sind keineswegs philosophisch veranlagt, aber: Menschen kaufen ohne mit der Wimper zu zucken Handies für 1.000,-€, versaufen jedes Wochenende Unsummen in den Discos ihrer Stadt oder nehmen Kredite für ein viel zu teures Auto auf, während euch ein Album oder das Ticket der Band, die vielleicht heute Abend bei euch um die Ecke spielt, den Preis von zwei Schachteln Zigaretten kostet. Erinnerungen von geilen Konzerten, dort geschlossenen Bekanntschaften oder gar Freundschaften, der Ausgleich zum Alltag… all das bleibt unbezahlbar.

“Wer alle 14 Tage ein Konzert besucht, lebt zehn Jahre länger!”

Ein Bericht vom Stern zur Studie

Redaktionell verantwortlich für diesen Artikel:

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