Alles mit Stil – Gegen Jede Vernunft – VÖ 12.04.2019
Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten – sei es beim Essen, bei der Klamottenauswahl oder eben bei der Musik. Aber dass eine Albumveröffentlichung unsere gesamte Redaktion auf den Kopf stellt, hat es bisher nicht gegeben. Alles mit Stil bringen Mitte April unter dem Musiklabel Rookies & Kings ihr zweites Studioalbum heraus. Nach dem ersten Werk CHAOS kommt das neue Album GEGEN JEDE VERNUNFT mit 13 Tracks und einer Laufzeit von knapp 50 Minuten zum Hörer.
Tracklist:
- Die Gang
- Keine Zeit
- Bipolar
- M.S
- Verrat an der Wirklichkeit
- Deine Entscheidung
- Spiegelwelt
- Untrennbar
- 1000 Zeichen
- SchwarzWeiss
- Ewigkeit
- Schweigen ist Gold
- Freier Fall
Gespannt hörten wir die ersten Töne des neuen Albums der fünf Jungs aus Österreich. Doch anstatt, wie sonst üblich, die Review an einen Redakteur zu geben, der seine persönliche Meinung zu Papier bringt, flogen die verbalen Fetzen. Die Meinung unserer Teammitglieder reichten von Himmel hoch jauchzend bis zum Verfluchen dieser musikalischen Schöpfung. Und da kein gemeinsamer Konsens gefunden werden konnte, entschieden wir beide gegensätzliche Meinungen zu veröffentlichen:
Marco:
Zugegeben, „AMS“ bricht den sonst bekannten Stil des Labels „Rookies & Kings“ und kombiniert komplett andere musikalische Einflüsse miteinander, die nicht jedem geheuer sind. Ich würde das als Riesenvorteil sehen. Eine deutliche Abhebung in der sonst so scheinbar trüben Deutschrockszene ist hier definitiv zu erkennen. Alles andere wäre gelogen. Mit Metalparts, massiven Bässen und rasanten Drums, gepaart mit einem (teilweise) Gangsterrapperimage gibt es hier voll auf die Zwölf. Verzeiht mir, wenn ich vermutlich euren Vorstellungen entgegenwirke. Aber ich höre auch Bands wie „Kanzler & Söhne“, „The Butcher Sisters (TBS)“ und andere Bands dieser Kategorie, was von einem „eingefleischten“ Deutschrockfan eher weniger zu erwarten wäre. Klangtechnisch harmoniert hier einfach alles. Warum es mich so mitgerissen hat, mache ich euch an meinen zwei Favoriten der Tracklist deutlich.
Nicole: Diese Review hat mir alles abverlangt. Hätte ich nicht meine Meinung kundtun wollen, wäre das Album nicht in den Genuss gekommen, mehr als einmal von mir gehört zu werden. Schlimmer noch, es machte mich aggressiv. Persönlich bin ich nicht vernarrt in Sprechgesang und kann der Hip Hop-Szene nicht viel abgewinnen – muss ich ja auch nicht. Jedem, was ihm gefällt. „AMS“ wollen die musikalischen Grenzen zwischen Heavy Metal, Rap und Rock sprengen. Tatsächlich finde ich grenzüberschreitende Musik und die Vermischung verschiedener Stile absolut faszinierend – allerdings macht die sprachliche Ausgestaltung und der Gangsterrapperstyle bei Alles mit Stil diese Idee zunichte. Auch der Deutschrock ist an sich nicht feinfühlig bei der Wahl des Vokabulars, aber die Art und Weise wie „A.M.S.“ diesen nutzt, ist an Geschmacklosigkeit kaum zu übertreffen. Wie ich das meine, erläutere ich an zwei Liedern, die ich für besonders kläglich halte.
Marcos Hitpotential:
Als erstes geht es um „Die Gang“. Wieso ich dieses Lied vorstelle? Ganz einfach. Wenn ich ein Album anschmeiße, muss mich der erste Song sofort abholen. In der Regel werde ich durch langweilige oder eintönige Intros enttäuscht. Aber nicht so bei „Die Gang“. Mit Gangster-Getue wird sich erstmal mit massiven Schimpfworten und einem gesunden Maße an übertriebener Arroganz vorgestellt. So wie sich das gehört. ICH halte direkt an dem Song fest. Wie gesagt, möchte ich betonen, dass es eine Band bzw. Musik ist, auf die man sich einlassen muss.
Nicoles No-Go:
Eine Band besingt sich selbst. Dieses Thema gehört im Deutschrock dazu, wie das Amen in der Kirche. Doch während man bei den selbstdarstellenden Hymnen anderer Bands in grandiose Feierlaune verfällt, hat man bei „A.M.S.“ das Gefühl im Ghetto zu landen. Stillos werden zu den an sich guten Gitarrensounds Plattengescratche und eine Melodie, die an das Knight Rider Bhangra-Theme von Punjabi Mc erinnert, zu einem Klüngel aus Hip Hop und Rock kombiniert. Das Zusammenschmeißen englischer Fetzen wie „Bitch“, „Fighten“, „Sickness“ oder „Homies“ soll wohl besondere Eloquenz vermitteln. Leider erzeugt es bei mir nur den Anschein einer gespielten Überheblichkeit und das Fehlen eines gut ausgeprägten deutschen Wortschatzes.
Marcos Hitpotential:
„Verrat an der Wirklichkeit“ lässt schon in den ersten Sätzen erahnen, um welches leidige Thema es sich handelt. Den permanenten Konsum des Internets, der sozialen Medien und Co. „…Das echte Leben wird verlernt, was man nicht mag, dass wird entfernt…“ Man hat die ganze Welt über das Netz offen, leider findet dieses Phänomen nur virtuell statt und das soziale Umfeld leidet darunter oder fällt komplett flach. Ein Song, der dem ein oder anderen ins Gewissen reden wird. (Vielleicht auch mir?)
Nicoles No-Go:
Ein Song, der das Aggressionspotential in ungeahnte Höhen schnellen lässt ist „Schweigen ist Gold“ und ich wünschte mir, Alles mit Stil hätte sich selbst an diese Devise gehalten. Ja, leider gibt es viele Menschen, die ungefragt ihre Meinung in die Welt posaunen müssen. Gegen solche Individuen gibt es ein einfaches Rezept: umdrehen und gehen. Aber zu Gewalt aufrufen, weil ein anderer dummes Zeug labert, das geht einfach nicht. Ist das wirklich die ernste Meinung von erwachsenen Männern, wenn sie Zeilen wie „… aber du wurdest gewarnt du Punk. Jetzt liegt dein Kopf halt auf dem Straßenrand. Denn wir schlagen, wenn du auf den Sack gehst…“ rappen oder eine von mir nicht verstandene sarkastische Übertreibung? Gepaart mit einem „möchte- gern-Gangsterstyle“ stellen sich bei mir eher die Nackenhaare auf, als dass sich die Lust erhöht, die Boxen lauter zu drehen und die ordentlich dröhnenden Gittarenklänge zu genießen.
Alles mit Stils Album GEGEN JEDE VERNUNFT hat eine klare Daseinsberechtigung, auch wenn es vermutlich den sonst typischen, musikalischen Standard von Rookies und generell der Szene verfehlt. Von derben Schimpfwörtern, über feiermotivierenden Liedern bis hin zu gesellschaftskritischen Themen ist auf diesem Album alles zu finden. Es ist nie verkehrt seine musikalischen Horizonte zu erweitern. Nutzt diese Chance und bildet euch selbst eine Meinung. Wir glauben, Alles mit Stil wird die neue Olive des Rock. Denn wie die Steinfrucht wird man sie entweder lieben oder hassen – ein dazwischen ist fast nicht möglich. Nach unserer Meinung, will genau das diese Band erreichen. Und genau deswegen ist dieses Album wortwörtlich gegen jede Vernunft. Um den redaktionellen Frieden auch weiterhin zu wahren, haben wir uns eine Bewertung in Form von Sternen bei diesem Album erspart. Marco Stahl & Nicole Breitner