One Tape – GOLDFISCHGLAS
Keine jugendlichen Experimente!
One Tape erreicht mit GOLDFISCHGLAS zwar nicht die Charts, dafür aber die musikalische Volljährigkeit.
Ich sitze im Zug, es regnet in Strömen und die Luft ist stickig. Das Einzige, was mich aufmuntert, während ich diesen Text schreibe, ist GOLDFISCHGLAS, das neue Werk der Briloner Rockband, One Tape. Elf neue Titel enthält die neue Platte, die mich auf meinem Weg zum Dortmunder Hauptbahnhof begleiten wird. Ebenso richtungsweisend, wie mein Fahrplan, ist dabei auch GOLDFISCHGLAS, das insgesamt zweite Album in der noch jungen Bandgeschichte.
Große Entwicklung
Eingeleitet wird die neue Platte mit dem Song „Hallo Hilfe“, der schon vor einiger Zeit als Singleauskopplung erschien. Ein ermüdendes Intro ertönt glücklicherweise nicht, den Brilonern reicht ein kurzes Drumsolo von Schlagzeuger, Fabi, um den Titeleinstieg zu finden. Danach entladen die Vier ihre Energie. Gitarrenlastiger Sound schallt dem gemeinen Fan deutscher Rockmusik entgegen, sinnbildlich für das gesamte Album. Bereits hier zeigt sich die riesige Weiterentwicklung, die die Band seit dem Debütalbum RAUS durchgemacht hat.
Auch Titel Nummer Zwei, „Goldfischglas“, beweist die Reife der jungen Musiker. Denn anstatt wahllos auf überhastete Rhythmen zurückzugreifen, wie man es von anderen Jungbands aus dem Punk-Genre gewohnt ist, wählen die Briloner mit Bedacht. Die gelungene Kombination aus kritischem Text und instrumentaler Untermalung durchzieht fast das gesamte Album.
Jungmusiker mit Message
Im dritten Song „Piss´dich“ verpackt die Band die angesprochene Kritik in Form eines Anti-Nazi Songs. „Dich will hier keiner haben, verpiss dich“, ist die eindeutige Message des Titels. So, oder ähnlich unmissverständlich, gehört ein Track gegen Rechtsextreme mittlerweile fast schon zum guten Ton in der deutschen Rockszene. Mit ihrem schwungvollen Song erfinden die Briloner das Statement-Rad nicht neu, setzen aber dennoch ein wichtiges Zeichen gegen Hetze. Übrigens: „Piss´ dich“ ist mindestens genau so pogo-tauglich wie „Schrei nach Liebe“.
Herzschmerz und unvergessliche Bekanntschaften
Liebe ist auch das Stichwort für den vierten Titel des Albums: „Ich war ein Arsch, komm zurück zu mir. Ich werde mich bessern, bin auch nett zu dir“. Eine Herzschmerz-Situation, in die sich jeder Hörer hineinversetzen kann. Spätestens dann, wenn sich der im Lied untergebrachte Telefondialog mit dem besten Freud in den Gehörgang schleicht. Passend zur Thematik, geht es im Song ungewohnt ruhig zu. Noch zusätzlich unterstreicht eine Akustikgitarre die Stimmung des Liedes. Ob während der Live-Performance mit Tränen im Publikum zu rechnen ist, bleibt ungewiss. Die Feuerzeugflammen sind der Band aber sicher.
Song Nummer Fünf, „Anastasia“, dreht sich um dasselbe Thema: Die unerfüllte Liebe. Das Lied beruht auf einer wahren Begebenheit und erzählt die Geschichte eines Jungen, der auf einer Veranstaltung in Berlin, wie magisch von einem Mädchen aus Stockholm angezogen wird, sie aber schlussendlich ziehen lassen muss. Während ich „Anastasia“ hörte, fühlte ich mich wärmstens an einige Moshpit-Bekanntschaften zurückerinnert, die man wie selbstverständlich wieder im Strom der Massen verlor. Das Lied weckt Erinnerungen und kommt zusätzlich mit einem lässigen Groove daher, schade, dass die warmen Tage bald vorbei sind!
Power zum Schluss
Gegen Ende des Albums findet sich mit „Hallo“ nochmal ein echtes Schmankerl und mein absoluter Albumfavorit. Der Song beginnt bereits mit schnellen Achteln auf der Gitarre und verliert auch danach nicht an Power. Das Ende des Intros ist der Auftakt für Vollgas-Pogo und Bierduschen in ihrer schönsten Form. Vergesst die Welt um euch, lebt, überschreitet Grenzen: Genau das vermittelt der Text dieses kraftvollen Hochkaräters. Ein schöner Konzert-Opener und Halligalli-Garant!
Fazit
One Tape hat mit Goldfischglas endlich die Volljährigkeit erreicht. Keine jugendlichen Experimente, sondern musikalische Stringenz ist der Motor dieses Albums. Prägend sind vor allem der gitarrenlastige Sound und Refrains im Mitgröhl-Charakter. Die Jungs konzentrieren sich auf das, was sie am besten können: Lebensnahe Texte mit instrumentalen Grundelementen zu verknüpfen und dabei zusätzlich einen Hauch von Kritik zu versprühen. Bissig, peitschend und im positiven Sinne kitschig: Das ist GOLDFISCHGLAS.
Redaktionell verantwortlich für diesen Artikel:
Über mich: Geboren im Jahrgang 2000 bin ich mit 17 Jahren der Jüngste im Team. Für Rockmusik schlägt mein Herz schon seit dem Kindesalter. Angefangen hat damals alles mit den Toten Hosen. Obwohl als Schüler immer knapp bei Kasse, besuche auch ich das ein oder andere Konzert. Außerdem spiele ich leidenschaftlich gerne Schlagzeug. Motto: Es gibt nur ein Gas, Vollgas!