Erik Cohen – NORTHERN SOUL – Albumreview

Ein Stern Abzug

Voller Vorfreude hatten wir schon letztens über Erik Cohen, seine Geschichte, Alben und die veröffentlichten Singles, zum neuen Album berichtet. Nun ist es endlich da, das auf dem Label RYL NKR Recordings / Rough Trade erschienene Werk. Und erhält gleich mal, auf den ersten Blick, einen Minuspunkt für das Gesamt-Artwork. Hier passt der Begriff Compact Disc zu 100 %. Eine einfache Papphülle aus Recyclingmaterial mit einem Schuber für die CD, kein Booklet, Songtexte, keine Bilder. Alles auf das Nötigste reduziert. Für CD-Sammler nicht so schön.

Zwei Sterne dazu

Aber schon mit Beendigung des vorhergehenden Satzes, fällt es mir wie Schuppen aus meinem Bart. Der Punkt wandert mit doppelter Bewertung wieder in die Pluskiste. In Zeiten ohne Auftritte bezahlt man eine Produktion halt auch nicht einfach so aus der Portokasse. Und Cohen ist eh schon großzügig. Seine Songs stehen kostenfrei zum Streamen bereit. Diese Einsparung macht aber noch im Weiteren einen logischen und wohl durchdachten Sinn.  Durch den Minimalismus werden keine Ressourcen unsere Umwelt verschwendet. Papier wird gespart, kein Plastik produziert und wenn man weiterdenkt, wird auch auf Grund des geringen Gewichts der CO²-Ausstoß verringert. Also im Grunde schon mal weit gedacht und alles richtig gemacht. Die CD selbst kommt im Stil einer Schallplatte daher. Schwarz und On Top, wie bei einer richtigen Schallplatte, sind selbst die Tonrillen mit eingearbeitet. Fast könnte man meinen, man könne diese abspielen. Wird jedoch nicht funktionieren, da die Lochgröße für Singles oder Vinyl leider nicht passend ist. Probieren konnte ich es nicht. Doch mehr zählen ja die inneren Werte.

Intro (Northern Soul)

Sanft macht sich Küstenatmosphäre breit. Gitarren, Bass, Schlagzeug und ein Akkordeon erklingen ebenso zart. Ein wehmütiger Frauenchor verströmt Zufriedenheit: “Ahhhhhhahhhhhahhhh…Northern Soul”.
Gern würde ich jetzt, melancholisch, mit einem Kilkenny im Irish Pub sitzen und weiter den Klängen lauschen. Mit mehr als 2 Minuten weitaus mehr, als nur ein Intro. Die Spannung ist damit aufgebaut.

Nach dem Sturm

Mit vorantreibenden Gitarren und Rhythmus im Midtempo geht’s weiter. Hier zeigt sich das erste Mal, Songtexte braucht´s keine im Booklet. Diese unverwechselbare Stimme ist klar und deutlich und macht im Opener die unmissverständliche Aussage “Nach dem Sturm, bin Ich wieder da”. Eine lyrische Reise aus der Vergangenheit ins Jetzt.

Millionenstadt

Nahtlos reiht sich dieser Titel an den Opener an. Cohen nostalgiert über die Vergangenheit und singt Strophe für Strophe, über Freundschaft, vielleicht Liebe? und Leidenschaft, die mit Unterstützung einer grandiosen Gastsängerstimme, in einem hymnischen Refrain endet.

Lokomotive

“Tschu, tschu…Lokomotive, tschu, tschu…meine Maschine, tschu, tschu…auf endlose Schiene.” Ein moderner Neue Deutsche Welle Song á la Major Tom “Völlig losgelöst”. Wirklich eine Hommage an die Eisenbahn? Oder eher ein Einblick in den Menschen Erik Cohen? Zum Ende hin nimmt der Song, mit Hilfe der Gitarren, nochmal richtig Fahrt auf. Je öfter ich ihn höre, umso mehr Spaß macht der Titel.

Junger Matrose

Seefahrerwehleidigkeit eingepackt im New Wave Gewand. Eine schöne Geschichte, die hier vertont wurde. Mehr aber auch nicht. Natürlich könnte man jetzt noch darüber sinnieren, ob die Story einen wahren Hintergrund hat, aber dafür wurde der Text eben nur als Geschichte verpackt. Vielleicht was für schöne Stunde am Strand mit Lagerfeuer.

Bomberjacken

Ein wunderbarer Song, der Szenecharakter hat und mit Sicherheit live gespielt absolut funktioniert, wenn punkig-rockig alle mitgrölen “Hooligans in Bomberjacken” und “Hoi, Hoi, Hoi”. Der Titel scheint die gute alte Zeit des Fußballs, der Midlifecrisis gealterten Fans widerzuspiegeln. Nach dem Motto, früher war alles besser und hat auch noch viel mehr Spaß gemacht.

Schleswig-Holstein

Da braucht es wohl keine weitere Erklärung oder Rezension. Im Stil von New Model Army, wird eine Hymne über dieses Bundesland zum Besten gegeben. Eine Liebeserklärung. “Kein Weg zu weit nach Schleswig-Holstein”. Textlich werden Dialekt, Landschaft, Heimweh und Sehnsucht besungen.

Halloween

Was die Böhsen Onkelz für Frei.Wild mal waren oder auch sind, das scheint Type O Negative mit Sänger Peter Steele für Cohen zu sein. Es wird etwas düster im Song mit schönem Gitarrensound und an den besungenen Frontmann, angepasste Stimme. Der Song drückt wohl die Gefühle Eriks aus, wenn er Type O Negative hört. Ein wahrer Fan. Auch wie Cohen seine Stimme für diesen Titel an Peters anpasst ist ganz im Stil von “Black Number 1”. Nur das Erik Cohen seinen Titel schneller spielt.

Doomrider

Die vierte und letzte Singleauskopplung vom Album. Ein treibender Rocksong, der mich stark an “Chrom” erinnert. Das ist ein Titel, so wie wir es von Erik Cohen gewohnt sind. Straight nach vorne gespielt und nicht zu langsam, dass man müde wird und auch nicht zu Uptempo, das man mit Beinen wippen nicht mehr nachkommt. Der Song macht einfach Spaß.

Alcatraz

Ja, es ist ein Song über die berüchtigte Insel. Die Freiheit im Blick, aber kein Weg hinaus aus dem Bau aus Stahl und Beton. Nach mehrmaligem Hören, kann man den Song gut und gerne auf die aktuelle Pandemie beziehen. Für mich ist es der Song auf dem Album, der mich gar nicht berührt hat und eher den Eindruck des Lückenfüllers übernimmt.

Café Stietzel

Zum Schluss wird´s nochmal richtig rockig. Lasst uns losziehen, feiern, trinken, lachen, tanzen. Das Leben ist schwer genug, also ab dafür. Ab ins “Café Stietzel”, da geht die Party ab. Ein wunderbar eingängiger Song, der zum Mitsingen einlädt und einfach durch seine Melodie und seinen Rhythmus und die Stimmung, die er freigibt, Spaß macht und richtig nach vorne geht.

Fazit:

Bis auf 2 Songs ist dieses Album für mich ganz klar das Gesamtpaket Erik Cohen. Nicht mehr ganz so heavy und punk-lastig, wie seine Vorgänger, aber ein Album, dem man anmerkt, dass es mit Leidenschaft und Liebe zur Rockmusik entstanden ist. Ein schönes Songwriting, Melodien mit Emotionen und keinen schweren Themen, die uns den Tag vermiesen. Klare Kaufempfehlung oder zumindest Streaming für alle Singer-Songwriter Fans, die die es werden wollen oder die, für die es das erste Mal ist.

4 von 5 Sternen

Redaktionell verantwortlich für diesen Artikel:

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Crew | Chefredakteur

Mit Baujahr 1976 nicht mehr so ganz jung, bin ich im Herzen der Republik, in Anhalt aufgewachsen.

Mit 19 Jahren zog es mich nach Baden-Württemberg. Aufgewachsen mit Heavy Metal à la Metallica, Slayer und Kreator etc., pubertierte ich mit dem Punk, bis ich dann mit dem New York Hardcore erwachsen wurde. Es gilt: Ob Metal oder Punk, in deutsch oder englisch, Hauptsache mir gefällt´s.