New Stage Arise im Interview: Der Deutschrock lebt, aber nicht von allein
Nach unserem Bericht Deutschrock: Kurz vor dem Herzstillstand? meldete sich New Stage Arise zu Wort und das mit einer deutlichen Reaktion. Die Band wollte das Thema nicht unkommentiert lassen und machte klar, dass der Deutschrock lebt, auch wenn er sich verändert hat. XBerndX, Stefan, Andy und Eddie verbinden Rock, Metal und Deutschrock zu ihrem eigenen Stil, den sie „real.modern.hardrock“ nennen. Seit ihrer ersten EP im Jahr 2021 hat sich viel getan: ein Album, neue Songs, Videoproduktionen und ein eigenes kleines Festival. Im Gespräch sprechen die Jungs darüber, warum sie sich in unserem Artikel wiedergefunden haben, wo sie widersprechen und was sie an der heutigen Szene stört.
Vielfalt statt Verwässerung
VRR: Ihr habt euch auf unserem Bericht Deutschrock: Kurz vor dem Herzstillstand? bezogen und erläutert, dass der ehrliche, unverfälschte Deutschrock noch da ist. Was hat euch an dem Artikel besonders angesprochen und was seht ihr anders?
Stefan: Es war ein sehr interessanter Artikel zum Thema. Der unverfälschte Sound ist nicht weg, er ist nur für viele nicht so präsent oder bekannt, da es für die Leute schwierig geworden ist, in der Masse an Bands, Videos und allgemeinem Content noch herauszufiltern, was es wirklich Neues und Gutes gibt. Mal abgesehen von den bekannten Bands, die schon ihre Fanbase und den Bekanntheitsgrad haben. Die wenigsten beschäftigen sich in der schnelllebigen, digitalen Welt mit dem, was sie sehen. Da wird schnell weitergescrollt und wenig gelesen oder sich näher mit neuen Sachen auseinandergesetzt. Durch die Masse an Content ist das allerdings auch völlig normal.
Andy: Andy: Insgesamt fand ich die erzeugte Polarisation sehr spannend.

VRR: Ihr nennt euren Stil „real.modern.hardrock“, eine Mischung aus Rock, Metal und Deutschrock. Ist das für euch eine bewusste Weiterentwicklung des klassischen Deutschrock oder eine Abgrenzung davon?
Stefan: Wir haben unseren Stil so genannt bzw. sind darauf gekommen, weil er für uns am besten zu unserem Sound passt. Deswegen haben wir auch unsere erste EP so genannt. Ehrliche, moderne Rockmusik mit Härte und Tiefgang. Mit Abgrenzung oder Schubladendenken hat das nichts zu tun. Wir hören Musik aus verschiedenen Genres, und das inspiriert uns zu unserer Musik. Das Gehörte interpretiert ja auch jeder für sich individuell.
Andy: Weder noch. Wir haben gar nicht so weit gedacht, irgendeinen Stil weiterzuentwickeln oder uns von etwas abzugrenzen. Wir wollten einfach die Musik machen, die wir selbst gern hören wollen.
VRR: Ihr sagt, manche Hörer seien von euren komplexeren Songs wie „Generation Protest“ oder „Krieger“ überfordert. Glaubt ihr, dass viele Fans noch zu sehr an typischen Strukturen festhalten?
Stefan: Nein, das würden wir so nicht sagen. Das liegt eher daran, dass sich viele in Zeiten von Spotify, Playlisten und Co. gar nicht mehr die Zeit nehmen, einen Song wenigstens einmal durchzuhören. Das war früher natürlich anders, wo man ein Album von vorn bis hinten in Dauerschleife durchgehört hat, bis man erstmal genug hatte, quasi. Manche Songs kicken sofort beim ersten oder zweiten Durchlauf, andere komplexere eben erst beim zehnten oder fünfzehnten Durchlauf. So viel Zeit gibt dir der moderne Hörer kaum noch. Bei unserem Song „Krieger“ zum Beispiel haben einige gesagt: „Gefällt mir nicht so“. Und als er dann mit dem Video herauskam, hat er bei den Leuten voll reingehauen. Da hat das Visuelle seinen Teil dazu beigetragen und der Song wurde dann auch besser verstanden. Er ist live mittlerweile einer unserer beliebtesten Songs.
Andy: Es liegt in der Natur der Menschen, dass alles, was neu oder unbekannt ist, erst einmal mit Vorsicht und aus der Distanz betrachtet wird. Das gilt auch für unsere Musik. Vor allem, wenn es um die komplexeren Stücke geht. Die einfacheren greifen da etwas schneller. Das kann man auch z. B. an der Ballermann-Musik beobachten. Ein einfacher Beat, ein stumpfer Text und man ist fast sofort dabei.

VRR: In unserem Artikel ging es auch um die Verwässerung des Sounds. Ihr sagt, dass Stilmischungen schon immer Teil des Genres waren. Wo liegt für euch der Unterschied zwischen Vielfalt und Beliebigkeit?
Stefan: Stilmischungen und Inspirationen sind Teil jeder Musik. Das siehst du bei den ganz großen Bands und Sängern, egal welchen Genres. Alle haben ihre Lieblingsbands und Songs oder sich hier und da mal ein Sample von einem Hit geholt. Gerade im Rap und in der elektronischen Musik wird das gern gemacht. Beliebigkeit in der Musik entsteht vielmehr, wenn sich zu viele Bands gleich anhören und man teilweise keinen Unterschied oder eine eigene Note im Sound heraushören kann, weil halt das bekannte Schema heruntergespult wird. Klar kann man das Rad nicht neu erfinden, aber es wird z. B. auf Festivals lieber die x-te neue Coverband ins Line-up genommen, als einer neuen, unbekannten, aber vielleicht guten Band die Chance zu geben, sich zu präsentieren. Was dann häufig zu fast gleichen Line-ups führt.
VRR: Ihr sprecht davon, dass es schwierig ist, Themen zu finden, die nicht anecken und nennt „Revolution Train“ als Beispiel. Wie wichtig ist euch Provokation und wo zieht ihr die Grenze?
Stefan: Wir wollen nicht provozieren. Das überlassen wir anderen. Wir machen ehrliche Rockmusik mit Texten aus dem Leben. Wenn sich darin jemand wiederfindet oder etwas anfangen kann, freut uns das. Das Problem ist eher, dass sich viele provoziert fühlen, durch dieses oder jenes. Das liegt natürlich immer am jeweiligen Hörer selbst.
Andy: Wir wollen nicht provozieren! Provokation ist eine Unart, die meistens im Konflikt endet. Polarisation ist eher das passende Wort. Diese erzeugt nämlich ein Nachdenken und ein sicher Auseinandersetzen. Es regt zum Denken an.
Zwischen Aufwand und Aufmerksamkeit

VRR: Ihr arbeitet komplett in Eigenregie und erzählt, dass „Zeit und Geld hauptsächlich ins Marketing fließen, obwohl die Essenz der Musik bleibt“. Wie verändert dieser Druck das Musikmachen heute?
Stefan: Das verändert insofern, dass man weniger Zeit für das Wesentliche hat: das Musikmachen.
Andy: Ich denke, es bremst die Kreativität beim Songwriting aus. Sorgt aber auch dafür, dass man in anderen Bereichen, wie z. B. Videolocation und Setting, kreativ sein kann.
VRR: Ihr sagt, viele Videoproduktionen würden kaum beachtet werde, obwohl sie mit viel Aufwand entstehen. Wie geht ihr mit dieser fehlenden Aufmerksamkeit um und was bedeutet euch echte Wertschätzung?
Stefan: In erster Linie machen wir die Musik, die uns gefällt und die wir selbst gerne hören. Somit erfüllen wir uns mit jedem Song und jedem Video immer einen Traum und die Umsetzung einer Vision. Wir freuen uns natürlich umso mehr, wenn wir damit Fans, neue Leute und Hörer erreichen und einen Nerv bei ihnen treffen. Das ist einfach unbeschreiblich, wenn die Leute deine Songs kennen, mitsingen oder das Musikvideo feiern.
Andy: Wir wissen, dass alle mit diesem Zustand zu kämpfen haben. Wir sagen uns, dass wir weitermachen wollen, egal was Klickzahlen und Follower anzeigen. Denn was wir machen, ist dank des Internets eine Ewigkeit vorhanden und das kann uns keiner nehmen. Unsere Enkel werden sich das irgendwann ansehen können und sagen „Digga, mein Opa war ein geiler Typ“.
VRR: Trotz allem erwähnt ihr im Gespräch mit uns, dass Bands wie, Stainless Steel, Glorreiche Halunken oder KrawallBrüder euch die Möglichkeit geben, Bühnenerfahrung zu sammeln. Wie wichtig ist dieser Zusammenhalt und was unterscheidet die echte Szene von bloßem Networking?
Stefan: Wir freuen uns total darüber und haben schon oft die Bühne zusammen geteilt. Da ist ein super Verhältnis entstanden. Das bedeutet uns viel und ist nicht immer selbstverständlich. Selbiges würden wir jederzeit auch für andere machen.
Andy: Das bedeutet uns wirklich sehr viel. Dadurch bekommen wir die Möglichkeit, uns und unsere Musik zu präsentieren und aus unserer Komfortzone herauszugehen, was ohne diesen Support verdammt schwierig wäre. Wir probieren im Rahmen unserer Möglichkeit etwas zurückzugeben. Sei es durch kleine Gesten, Erwähnungen oder Kooperationen. Wie Goitzsche Front schon gesungen hat: „Es ist der Zusammenhalt, der uns stark macht!“

VRR: Am 05.12.2025 steht ihr als Opener beim Jahresabschluss der KrawallBrüder in Lichtenfels auf der Bühne. Was bedeutet euch dieser Auftritt und seht ihr ihn als nächsten Schritt aus dem Geheimtipp-Status heraus?
Stefan: Das ist für uns der absolute Hammer und wir freuen uns mega darauf. Also kommt alle am 5.12. nach Lichtenfels und rockt mit uns!
Andy: Das ist eine große Chance für uns, ein großes und neues Publikum und auch die anderen Bands von uns zu überzeugen. Oder, wie Bernd sagen würde: „Wir befinden uns im zweiten Lehrjahr und das ist eine Abschlussprüfung.“
New Stage Arise zeigt mit ihrer Reaktion, dass Deutschrock noch lebt. Nicht laut und massenkompatibel, sondern echt und eigenständig. Sie hat sich mit den Problemen, die im Bericht angesprochen wurden, intensiv auseinandergesetzt und ihren Standpunkt klar formuliert. Zwischen Idealismus und Realität bleibt ihre Botschaft einfach: Musik muss wieder etwas bedeuten. Wir sehen uns, denn wir machen weiter. Let’s rock.
Redaktionell verantwortlich für diesen Artikel:
Crew | Redaktion
Schon als kleiner Stöpsel bin ich mit deutscher Rockmusik groß geworden. Die Böhsen Onkelz waren selbst in der fünften Klasse schon Pflichtprogramm. Eine kurze Abschweifung in ein anderes Genre hat mich trotzdem wieder sehr schnell auf die richtige Bahn gebracht.
Kurze Zeit später fanden auch Musikrichtungen wie Punkrock, Metal oder Alternativrock ihren Weg zu mir. Ich bin offen für Neues aber meiner Linie werde ich auf ewig treu bleiben.







