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Musikalische Früherziehung – Elterliche Leidenschaft vs. Kindeswohlgefährdung

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Es liegt in der Natur des Menschen sich fortzupflanzen. So mag es nicht verwunderlich sein, dass auch aus den Symbiosen der Groupies und Fanboys neues Leben hervorgeht. Einer gemeinsamen musikalischen Leidenschaft verbunden, soll auch der Nachwuchs mit den gleichen Ambitionen in den Reihen der Erzeuger Platz nehmen. Doch ist die Grenze zwischen dem musikalisch vollkommenen Familienglück und der Kindeswohlgefährdung ein schmaler Grat.

Auf dem positiven Test ist das Pipi noch nicht einmal richtig trocken, da ist der Antrag für den Fanclub bis auf Geburtsdatum und Name schon fertig ausgefüllt und der Briefumschlag schon adressiert und vorfrankiert. Doch stehen die Eltern in Spe schon hier vor einer Herausforderung, die manch anderer wohl anders lösen würde; das leidige Thema der Namensfindung. Während bei den Vernunftbegabten die Namen aufgrund des Klanges, verstorbenen Angehörigen oder positiver Erfahrungen gewählt werden, werden bei den Bandfanatikern die Namen der angeschmachteten Künstler und Künstlerinnen erkoren. So heißen dann auch im 21.Jh. die Kinder Jochen, Kirk oder Dirk Albert, nur um den elterlichen Ikonen Tribut zu zollen.

Ab der 20. Schwangerschaftswoche soll der Fötus hören können. Hier setzt die Industrie an und bietet der Masse der Musikbegeisterten Kopfhörer für den runden Mutterbauch. Sicherlich ein interessanter Gedanke, dass dem Kind, ähnlich wie bei Pflanzen, klassische Musik vorgespielt werden kann, um ein gesundes Wachstum zu fördern. Jedoch sind wir uns einig, dass gerade in unseren musikalischen Gefilden der Rhythmus alles andere als klassisch, ruhig oder leise zu werten ist, ganz zu schweigen von den teils sozialniedrigen Verbalflatulenzen. Lest dazu auch unseren Betrag. In dieser Phase der Fötusentwicklung ist eine erfolgreiche Frühprägung auf den gewünschten Musikstil sicherlich plausibel, aber ist er auch notwendig?

Ist der Wurm erst einmal geschlüpft, so ist das Bekleiden im Bandlayout ein Muss. So werden ganze Kollektionen an Stramplern und Bodys im Fanshop angeboten. Für die Erstausstattung wird der Merch-Katalog leer gekauft, wodurch sich Eltern und befreundete Fans an einem Baby erfreuen können, welches genüsslich am Band-Nuckel oder der musikalisch kompatiblen Babyflasche saugt. Auch die nächsten Jahre ist man mit Kinderkollektionen im Shop gut versorgt und dem einheitlichen Fan-Familienbild steht nichts mehr im Wege.

Wie weit dürfen Eltern bei diesem Thema gehen? Wo ist die Grenze des Zwangs? Nehmen Eltern die Wünsche des Kindes noch wahr? Was passiert, wenn der Nachwuchs rebelliert?
Ich für meinen Teil habe ein Auge auf die Bauch-„Kopf“-Hörer geworfen, um im Falle des parasitären Befalls die Bauchhöhle mit südtiroler Deutschrockklängen zu beschallen. Sicherlich werden auch regelmäßige Anlässe gefunden werden, um den Erbschleicher als Mini-Frei.Wild‘ler zu präsentieren. Nichtsdestotrotz wird der Nachwuchs nicht enterbt, falls er sich später für Bushido und Co. interessieren sollte. Schätzt euch glücklich für den Zeitraum, in dem ihr mit euren Kindern gleiche musikalische Interessen teilt und lasst ihnen den Freiraum, den sie später für ihre eigene Musik brauchen. Ihr möchtet sicherlich auch nicht zu Hanna Montana oder Justin Bieber gezwungen werden.

Redaktionell verantwortlich für diesen Artikel:

Über mich: 28 Jahre jung, wohnhaft im Herzen der Republik in Sachsen-Anhalt, begeisterter Deutschrocker und Festivalgänger.
Angefangen bei Vollgas Richtung Rock habe ich als Schreiberling in der Redaktion. Schnell fand ich aber auch Spaß an anderen Wegen der Berichterstattung. So bin ich seit einiger Zeit auch in dem einen oder anderen Bühnengraben mit der Kamera in der Hand vertreten.
In meinem bürgerlichen Leben verdiene ich mir meine Brötchen als Pflegegutachter im Mansfelder Land.

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