BRDIGUNG im Interview: Popmusik mit lauten Gitarren
Seit 2004 sind BRDIGUNG kein unbeschriebenes Blatt mehr und auch dieses Jahr kehren sie wieder bissig, vulgär, unverschämt und mit klaren Ansagen zurück. Die Band um Frontmann Julez hat sich mit mehreren Top-10-Chartplatzierungen fest in der deutschen Musiklandschaft etabliert und zeigt sich erneut in Höchstform.
Stilistisch bewegen sich BRDIGUNG zwischen ihrem ursprünglichen Punkrock, der einst ihre Heimat war und einem kompromisslosen Mix aus Trommelschlaghagel und rasanten Gitarrenriffs im Metal-Bereich. Eine Band, die den Wandel der Zeit wie kaum eine andere für sich genutzt hat. Wer behauptet, das musikalische Rad könne nicht neu erfunden werden, hat BRDIGUNG noch nicht gehört – oder ist schlichtweg taub.
Punkrock in modernem Gewand
Während die Anfänge von BRDIGUNG noch tief im klassischen Deutschpunk verwurzelt waren, hat sich ihr Stil über die Jahre drastisch weiterentwickelt. Heute stehen sie für bissigen Humor, provokante Textpassagen und jede Menge Schärfe. Tabus? Fehlanzeige! Was für manche eine Zumutung ist, sorgt bei den Fans für Begeisterung. Keine Zensur, kein abgedroschenes Schönreden – stattdessen knallharte Realität, musikalisch verpackt in ausdrucksstarke Melodien und raffinierte Lyrics.

GIB NICHT AUF
Mit GIB NICHT AUF veröffentlicht BRDIGUNG bereits ihr neuntes Studioalbum und der Vorverkauf der limitierten Editionen ist bereits angelaufen. Die exklusiven Sammlerstücke und Varianten des Albums werden nicht nur eure Regale bereichern, sondern auch musikalisch keine Wünsche offenlassen. Das Album enthält 14 Songs inklusive Intro und sorgt erneut für eine gehörige Portion Sarkasmus und Ironie. BRDIGUNG nehmen die aktuellen Themen des Zeitgeists schonungslos ins Visier. Die dazugehörige GIB NICHT AUF-Tour umfasst zwölf Konzerte in Deutschland und Österreich.
Die Band selbst kündigt das Album mit folgenden Worten an: „Freut euch – neben der bereits veröffentlichten Hymne zu Ehren von Egon Kowalski – auf bissig-bösen Humor bei „Rentners Paradise“, vernichtende Ansagen an den Mainstream in „Rock am Ring“ und einen nostalgischen Sprung zurück in die späten 90er mit „Letzte Party“! Wir sind zurück, die Akkus sind geladen – voller Spaß und Tatendrang!“
Wir haben BRDIGUNGs Frontmann Julez einige Fragen zum neuen Album gestellt:
VRR: Es gibt verschiedene Themen, die ihr auf dem Album behandelt. Gibt es einen roten Faden oder habt ihr frei von der Schnauze geschrieben, was euch bewegt, beschäftigt oder auch ankotzt?
Julez: Dieses Album ist anders als WIEDER HÄSSLICH. Es hat eine komplett andere Grundthematik, ist anders aufgebaut und wirkt als Gesamtwerk somit auch ganz anders. Ich denke, wir haben erneut ein recht abwechslungsreiches Album geschaffen. Die Prämisse des Titels GIB NICHT AUF zieht sich natürlich schon auch thematisch durch mehrere Songs, allerdings würde ich sagen, dass wir von einem klassischen Konzeptalbum weit entfernt sind. Wir haben meiner Meinung nach wieder eine ziemlich gute Mischung vertreten, um das höchste Maß an Abwechslung bieten zu können. Das war bisher immer unser Anspruch und ich denke, dem werden wir auch hier wieder gerecht.
Der Entstehungsprozess
VRR: Wie lange hat der Entstehungsprozess gedauert und wie entsteht ein klassischer BRDIGUNG Song?
Julez: Da gibt es eigentlich keine Blaupause. Musik ist ein Prozess und der beginnt bei mir im Kopf. Meistens trage ich ein Thema, eine Aussage oder eine Harmonie ein paar Tage mit mir herum und wenn ich sie nicht aus dem Kopf bekomme, ist es meistens ein Zeichen, dass daraus etwas entstehen sollte. Dann setze ich mich zuhause hin und schaue einfach, mal was passiert. Ich habe dafür keinen Rhythmus oder bestimmte Zeiten. Manchmal musste ich auch mitten in der Nacht noch einmal aufstehen, weil ich auf plötzlich eine Idee hatte und diese noch ausprobieren musste. Wenn der Songs dann fertig ist, lasse ich ihn oft noch ein paar Tage oder auch Wochen liegen, um zu schauen, ob sich das Gefühl verändert. Und irgendwann ist man sich sicher, dass der Song auch in die Produktion gehen sollte, man weiß es dann einfach. Es ist schwer zu erklären.
VRR: Es gibt viele verschiedene Arten gesellschaftskritische Themen zu verarbeiten. Eure Songs kommen oft sehr übertrieben bzw. karikiert daher. Habt ihr manchmal Angst, dass Leute die Texte dadurch eher belächeln, als die Message zwischen den Zeilen zu lesen oder euch sogar nicht weiter ernst nehmen?
Julez: Ich denke, das liegt immer im Auge des Betrachters. Wenn uns jemand nicht ernst nehmen oder belächeln möchte, dann ist das völlig in Ordnung. Wir können sehr gut damit leben, es hat ja weder Einfluss noch nimmt es uns etwas weg. Sich Gedanken darüber zu machen, was andere von diesem oder jenem denken könnten, ist meiner Meinung nach Zeitverschwendung. Und meine Zeit ist mir mittlerweile sehr kostbar. Am Ende reden wir ja hier immer noch über Musik und die ist immer eine Frage des Geschmacks. Und auch meine absoluten Lieblingsbands haben Songs, bei denen ich mich frage, was die sich dabei gedacht haben. Was ich aber immer anerkennen werde, ist der Mut zum Risiko, sich zu verändern/weiterentwickeln. Das ist es, glaube ich, was viele dann mit einer Anbiederung an den Mainstream verwechseln. Hätten wir uns nicht weiterentwickelt, dann würde es BRDIGUNG schon lange nicht mehr geben. Alleine aus dem Grund heraus, dass es mir zu langweilig geworden wäre. Und alle zwei Jahre das gleiche Album zu veröffentlichen, war auch nie eine Option.
Kraft, Trost, Hoffnung
VRR: Wie würdet ihr euch die Reaktionen der Fans auf das neue Album wünschen. Damit meine ich nicht, dass die Leute gute Musik erwarten, sondern dass vielleicht etwas in den Menschen aufgrund der kritischen, lyrischen Inhalte bewegt wird.
Julez: Natürlich wünscht man sich immer, dass es den Leuten genauso gefällt, wie einem selbst. Es haben uns in der Vergangenheit oft Leute geschrieben und in persönlichen Gesprächen berichtet, wie bestimmte Songs ihnen durch schwere Phasen ihres Lebens geholfen haben. Da waren teilweise wirklich schwere Schicksale bei, die mich bewegt haben. Und wenn ich dann gehört habe, dass die Musik Kraft, Trost, Hoffnung, etc. gespendet hat – oder auch nur ein Lachen gebracht – dann ist das für mich das größte Kompliment, was man bekommen kann. Das ist es, was Musik leisten kann. Mit Musik die Welt verändern wird aber niemand, so realistisch sollte man sein.
VRR: Viele Bands mit Punkwurzeln stehen irgendwann vor der Entscheidung: Bleiben sie sich treu oder passen sie sich einer neuen Hörerschaft an? Für wen wurde GIB NICHT AUF geschrieben – für die alten Fans oder für eine neue Generation von Hörern?
Julez: Ich persönlich kenne zumindest keine Band, bei der es so war. Wir haben immer die Musik herausgebracht, wie wir es zu dem Zeitpunkt für richtig gehalten haben. Eingeschränkt haben wir uns glaube ich nur ein oder zwei Mal, nachdem wir wegen Songtexten einen anwaltlichen Rat eingeholt haben. Hier bekamen wir die Rückmeldung, dass wir das lieber lassen sollten, wenn wir nicht von möglicherweise betroffenen Personen verklagt werden wollen. Da waren wir uns dann einig, dass es das nicht wert ist. Für wen GIB NICHT AUF geschrieben wurde? Es ist ganz einfach: Für alle, die sich angesprochen fühlen. Ab einem gewissen Punkt der Produktion fiel mir auf „Geil, das klingt ja stellenweise wie vor mehreren Jahren!“. Es hat einfach Spaß gemacht – also mehr davon. Und damit meine ich nicht den Sound, der ist nach wie vor sehr modern und differenziert. Ich meine die (musikalischen) Themen und die Arrangements.

Auf Hochglanz poliert
VRR: Mit Metal-Einflüssen, melodischen Parts und teils fast hymnischen Refrains klingt das neue Album nicht mehr nach klassischem Punk von der Straße wie beispielsweise KEIN KOMPROMISS. Würdet ihr euch heute noch als Punkrock-Band bezeichnen oder ist BRDIGUNG mittlerweile etwas ganz anderes?
Julez: Wie eben schon kurz erwähnt, das Klangbild ist weiterhin modern und auf Hochglanz. Ich verstehe, wenn Leute sagen, gerade das roughe wie beispielsweise bei KEIN KOMPROMISS feiern sie nach wie vor stark. Aber damit ist es rum und ich persönlich möchte auch gar nicht mehr dahin zurück. Wer dieses Feeling heute noch haben mag, der kann es sich live bei uns holen, denn da ist es nach wie vor fest im Programm und macht auch Spaß. In welche Schublade man uns steckt, ist mir eigentlich ziemlich egal. Von mir aus nennt es Popmusik mit tiefen Gitarren. Auch das trifft bestimmt auf den ein oder anderen Song zu. Bevor man sich über sowas den Kopf zerbricht, sage ich eher: Hört, was euch gefällt und nennt es, wie ihr wollt.
VRR: Wenn ihr heute auf eure ersten Alben zurückblickt und sie mit GIB NICHT AUF vergleicht – was würdet ihr eurem früheren Ich sagen?
Julez: Das frühere Ich wäre definitiv neidisch auf den aktuellen Sound, denn das war immer der Wunsch. Damals hatte man halt weder das Know-how, noch die technischen und finanziellen Möglichkeiten. Aber ich denke, das ist es auch, was die ersten Alben ausmachen. GIB NICHT AUF hat Elemente aus allem, bis hin zu ZEITZÜNDER.
VRR: GIB NICHT AUF ist eine große Aussage, in die man viel reininterpretieren kann. Was wollt ihr den Menschen da draußen noch mit auf den Weg geben, wenn ihr gedanklich bei GIB NICHT AUF seid?
Julez: Wir leben in turbulenten Zeiten und spätestens seit Corona ist die Anzahl an psychischen Erkrankungen stark gestiegen. Ich wollte kein Album machen, welches schwarz malt oder in besonderem Maße negativ wirkt. Ich wollte etwas machen, was Kraft geben, was motivieren kann gerade in stürmischen Zeiten den Kurs zu halten. Stabil zu bleiben und sich nicht unterkriegen zu lassen. Das ist gelungen und ich denke, das werden die Leute auch merken.
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Mitglied im Bundesverband deutscher Pressefotografen (bdp)
Gründete 2017 das Magazin und begann eine ganz neue, "musikalische" Reise durch die rauen Landschaften von Musik, Veranstaltungen und Print- und Online-Medien.