Wolfsfest mit Sagenbringer, Nachtblut und Varg – unterwegs in mystischen Sphären
Ein Wikingerschiff, riesige Schwerter, Banner im Hintergrund mit Skulls – das Bühnenbild ließ erahnen, wohin die Reise im Hirsch diesmal gehen sollte. Eine lange Reise, hoch aus dem Norden von der Insel Sylt kamen Sagenbringer. Ihr mystisches, fast schon dämonisches Outfit inklusive Bemalung entführte einen schon bei den ersten Tönen in tiefe, wilde Wälder. Dorthin, wo die Wölfe leben.
Melodischer aber dunkler Pagan Metal ließ uns auf den Weg der Nacht begeben. Wir feierten in der Trolltaverne, begaben uns in einer regnerischen Vollmondnacht zur Höhle des Met-Drachens. Der Herr der Stürme und Donar begegneten uns und die Reise endete auf einem Kriegsfeld nach der Schlacht. Mit ihrem Gesang begleiteten sie eine unglückliche Seele in die Hallen nach Walhalla. „Als Krieger geboren, als Krieger gestorben“, im Lichtschein der Smartphones sollte das Publikum den verlorenen Krieger ans Ziel führen. Da die Sagenbringer Nordmänner sind, war ihr Abschiedssong eine Reminiszenz an das Meer „Mein Herz an die See“.
Totenbleich geschminkt, in atemberaubendem, monströsem Outfit
So fanden sich die Nachtblut Männer ein und der Einstieg war mehr als kraftvoll. Dröhnende Gitarrensoli und -riffs. Gleich zu Beginn ein dunkelromantischer Song „Heute bring ich dir ein wenig Liebe bei“. In einem Interview des Weserkurier sagte der Sänger Askeroth einmal: „Für mich ist die Figur ein Kanal, Aggressionen herauszulassen und zu protestieren. Missstände und Ungerechtigkeiten, die mir im Alltag auffallen, verarbeite ich in Liedern, und die spricht Askeroth dann aus. Dinge, die ich als Privatperson nicht sagen oder tun würde. Dafür gibt es Askeroth.“ In seiner uniformähnlichen Lederrüstung mit Ketten und Spikes wirkt er martialisch, monströs, übergroß und mächtig. Nachdem er nach einigen Songs diese ablegte und seinen gestählten Oberkörper, in glänzendem Grauschwarz eingefärbt, präsentierte, meinte man einen Krieger wie aus Erz gegossen vor sich zu haben. Als er „Ich töte dich multikulturell“ anstimmte, kochte die Halle und man sah nur noch fliegende Haare.
Seine Texte könnte man als darkromantisch betiteln, trotz seines blutrünstig anmutenden Auftretens. Man fühlte sich in eine andere Welt versetzt, in eine andere Zeit. Seine Stimme schon fast kreischend, mit infernalisch hohen Tonlagen bis hin zu tiefstem Growlen. Es gab aber auch wundervolle Gitarrensoli, die mit frenetischem Applaus honoriert wurden. Irgendwann bildete sich auch eine Menge an Moshern, die mir fast schon ein wenig Angst machte, so wild und aufgepusht sie war.
Es folgte ein Hit nach dem anderen, die fast alle lautstark mitgesungen wurden. Stampfende Rhythmen von „Du und ich gegen die Götter“ und „Ich bin dein Teufel“ brachten die Metalheads in Wallung. Balladenartig begann mit Panflötentönen „Ich brauche nur einen Gott für mich, Odin“.
Die größte Überraschung war ein Cover
Etwas, das niemand auf einem Wolfsfest vermutet hätte zu hören. Und sie haben es stilecht und faszinierend auf ihre Art gespielt: „Es ist alles nur geklaut!“ Sie verabschiedeten sich mit „Die Toten vergessen nicht“ und fast wollte man sie gar nicht von der Bühne lassen.
Schlachtenklänge
Und auch Varg, der Headliner, entführte uns wiederum in vergangene Zeiten, mit einer elfengleichen Lady Fylgjy und einem schon optisch wie der Anführer einer Kriegerarmada anmutende Freki. Man könnte meinen, sie kämen gerade echt aus einer Schlacht aus Mittelerde. Mit ihrer Stimme erinnert sie ein wenig an Eluveitie und Nightwish. Was natürlich sofort in Vergessenheit gerät, wenn Freki mit seinen massigen tiefen Tönen loslegt. Da Nürnberg für die Coburger fast ein Heimspiel war, wurden sie natürlich gebührlich gefeiert. Es war faszinierend, dieses ständige Zwischenspiel der glasklaren, zarten, aber doch imposanten Frauenstimme und dem machtvollen „Geschrei“ der Krieger zu hören. Sie besangen die Schildmaid und den Schildwall. Man erhob gemeinsam die Hörner und besang die Walküren, die im Morgengrauen die Gefallenen zu ihren Vätern nach Walhalla führten.
Beeindruckend war ein Song, den Fylgiy ihrem vor vier Jahren verstorbenen Vater widmete, der sich immer gewünscht habe, dass sie über „Björn Eisenseite“ singen würde. Sie gaben noch einige Songs aus ihrem alten, aber auch neuen Album (VÖ 13.10.2023 – EWIGE WACHT) zum Besten. Ihre letzten beiden Alben waren jeweils bei Veröffentlichung auf Platz 15/16 unter den Alben Top Ten. Als Einzige aus dieser Branche/Szene haben sie das geschafft. Sie beenden ihr wundervolles Bühnenschauspiel mit „Der ewigen Wacht“. Man mochte gar nicht mehr aufhören zu träumen, obwohl es doch sehr, sehr laut war.
Redaktionell verantwortlich für diesen Artikel:
Obwohl ich schon über 60 bin, bin ich tief im Herzen ein verrücktes und junggebliebenes Wesen. In den 60ern im Osten geboren, seit 1980 in Tschechien gelebt, bin ich dort in den 80ern zum Metal gekommen. Irgendwann in den 90ern habe ich eine Dekade Gothic und Mittelalter durchlebt, um dann doch wieder voll auf Metal umzusteigen.