Local Bastards Interview zur Videoveröffentlichung „Priester“

Es war ein Paukenschlag. Nur kurze Zeit vorher angekündigt, veröffentlichten die Local Bastards vergangenen Karfreitag ihr neues Musikvideo zu ihrem Song „Priester“. Dieser wird auf dem neuen Album KRONE DER SCHÖPFUNG zu finden sein, das Mitte Juni unter dem Label Rookies & Kings veröffentlicht wird. Ein heißes Eisen ist der Song thematisch auf alle Fälle. Die Jungs aus dem Frankfurter Raum setzen sich mit dem oft todgeschwiegenen Thema der Pädophilie in den Reihen der Kirche auseinander. Das Gotteshaus, das die Menschen auffangen, einen Platz der Ruhe, des Friedens und der Nähe zu Gott darstellen soll, wird zum Schauplatz für die schlimmsten Erfahrungen, die man Kindern antun kann. An sich schon ein heftiges Thema, erhält es durch die Veröffentlichung am Kreuzigungstag Jesu ganz besondere Brisanz. War es ein gelungener PR-Coup oder ein bewusster Fingerzeig auf ein Problem, das noch immer zu wenig Beachtung findet? Wir haben sie selbst gefragt und Julian und Tobi standen uns Rede und Antwort.

VRR: Am Karfreitag habt ihr euren Kirchenkritischen Song „Priester“ veröffentlicht. Kritiker könnten meinen, ihr habt den Tag der Kreuzigung Jesu ausgewählt, um eine ordentliche PR für euch rauszuschlagen. Ist dem so?

Julian: Um ehrlich zu sein nicht. Es war eher Zufall, aber als wir den Zufall entdeckt haben, fanden wir die Idee eigentlich ziemlich gut und haben den Termin auch bewusst nicht umgelegt.
Tobi: Der Singletermin stand bereits lange Zeit fest. Also eher ein willkommener Zufall. (lacht)

VRR: Ist es vielleicht sogar etwas geschmacklos einen für Millionen Menschen bedeutsamen Trauertag für Werbezwecke zu benutzen?

Julian: Dann müsste man die Gegenfrage dazu stellen: Was ist geschmackloser? So eine Single an diesem Tag rauszubringen oder eben genau das, was in diesem Song besungen wird. Wenn sie das Futter für den Inhalt liefern, muss diese Institution auch damit klar kommen, dass wir den Song an so einem Tag rausbringen. Ich glaube, ich spreche da auch im Namen der Band: Wir wollen keinem Menschen seinen Glauben absprechen. Das, was wir besingen, sind Tatsachen, die wir in einen Song gepackt haben und das ist das Ergebnis davon.

VRR: Was waren denn eure Beweggründe euch mit der Thematik Pädophilie in den Reihen der Kirche auseinanderzusetzen?

Julian: Es reicht ja eigentlich, wenn man die tägliche Presse, sei es im Fernsehen und in der Zeitung, verfolgt. In der Zeit, als wir das Lied geschrieben haben, gab es ja nur wenige Berichte. Mittlerweile nimmt auch die Berichterstattung an Fahrt auf. Das hat mich stark bewegt und ich habe versucht mich in so eine Situation hinzuversetzen. Ich habe mich immer weiter damit auseinandergesetzt und je mehr ich mich mit diesem Thema befasst habe, umso notwendiger wurde es für mich, dazu etwas zu schreiben.

VRR: Es ist nicht zu leugnen, dass es in den Reihen der Kirche pädophile Handlungen gab und dass diese vertuscht und verschwiegen wurden. Glaubt ihr, dass ihr mit der Art und Weise der Veröffentlichung religiöse Menschen verletzt, die nichts mit diesen kriminellen Handlungen zu tun hatten?

3c66ae63-8f1e-4061-8817-6bada738d000-300x225 Local Bastards Interview zur Videoveröffentlichung „Priester“Julian: Wenn sie nichts gemacht haben, brauchen sie sich nicht angesprochen fühlen.
Tobi: Das Lied hat ja auch nichts mit ihrem Glauben zu tun und den möchten wir auch nicht kritisieren. Uns geht es einzig um die Schandtaten des Kindesmissbrauchs unter dem Deckmantel der Kirche. Sich selbst also als heilig darzustellen, Sachen zu predigen und im gleichen Moment einer der schlimmsten Verbrecher zu sein, in dem man Kinder missbraucht. Und jeder, der davon nicht betroffen ist, braucht sich von uns nicht angesprochen zu fühlen.
Julian: Natürlich ist der Song provokativ geschrieben, aber das war auch Sinn und Zweck der ganzen Sache. Nur wenn man auf den Tisch haut, denken die Menschen auch mal drüber nach.

VRR: Denkt ihr, dass ihr euch mit dieser Aktion für die Zukunft verbaut habt in Ländern zu spielen, in denen der Glaube noch ein viel größerer Bestandteil der Gesellschaft ist?

Julian: Das glauben wir nicht. Aber falls das so wäre, dann stehen wir weiterhin zu unserem Statement, zu dem Song und der Meinung, die wir haben.
Tobi: Für eine deutschsprachige Band ist es nicht ganz so einfach im Ausland zu spielen. In Österreich spielen wir im September in Wien. Ich glaube nicht, dass es da in Zukunft Probleme geben wird. Und wenn, dann müssen wir mit den Konsequenzen leben.

VRR: Ihr provoziert mit euren Texten gern. Denkt ihr auch daran, dass ihr gerade für jüngere Fans eine Vorbildfunktion habt und die ggf. noch nicht die geistige Reife haben eure Texte zu verstehen. Es somit zu Pauschalisierungen kommen kann?
d801d059-492f-4f14-8969-0bdffe3d58fa-200x300 Local Bastards Interview zur Videoveröffentlichung „Priester“Julian: Interpretationsspielraum gibt es da immer, das ist uns in jedem Fall klar. Wenn man solche Songs schreibt, will man auch auf einer gewissen Weise provozieren. Die Worte sind schon so gewählt. Wir sind aber auch nicht die einzige Band, die so ihre Texte schreibt. Wenn man zum Beispiel englische Texte übersetzt, sind da auch viele Doppeldeutigkeiten drin. Man sollte auf alle Fälle über den Song nachdenken. Ihn anhören und überlegen, wie die eigene Meinung zu dem Thema ist. Diejenigen, die sich mit unseren Liedern auseinandersetzen, sind natürlich am meisten willkommen bei uns.
Tobi: Das jüngere Publikum hört ja heutzutage gar kein Rock mehr, sondern sind eher im Hip-Hop unterwegs, die schlimmere Texte als unsere produzieren. Da ist eher nach einer Vorbildfunktion gefragt, als was unsere Zielgruppe angeht.

VRR: Ihr habt frisch bei Rookies unterzeichnet. Nun veröffentlicht ihr sehr zeitnah das zweite Album innerhalb eines Jahres. Standet ihr unter Druck „schnell zu liefern“?

Julian: Ja, das standen wir! Es war auf alle Fälle ein straffer Zeitplan. Dass wir ein neues Album herausbringen, wussten wir vergangenen Jahres im August/September.
Tobi: So ein Neu-Signing macht ja auch nur Sinn mit einem neuen Album. Man braucht ja nicht das Label wechseln, wenn man nix Neues rausbringt. Und das waren die Anforderungen für den Vertrag – neues Material zu liefern, das unter dem neuen Label veröffentlicht werden kann. Dem haben wir auch zugestimmt, uns für die Veröffentlichung für Juni diesen Jahres entschieden und ordentlich Gas gegeben. Gerade Ronny und Julian – unsere Songschmiede – haben sich im November und Dezember im Keller eingeschlossen und viel Zeit miteinander verbracht (lacht). Ja, und dann ging es schon ins Studio.

VRR: Die ersten beiden Singleauskopplungen aus KRONE DER SCHÖPFUNG sind veröffentlicht. Diese klingen nach dem typischen Bastarde-Sound. Ihr sagt aber auch, dass das neue Album nicht „typisch“ für euch wird, da ihr euch weiterentwickelt habt. Muss der Bastards-Fan mit einem „weichgespülteren“ Sound rechnen?

Julian: Eindeutig, nö. Wir haben ein paar Sachen ausprobiert und mit einigen Effekten gespielt, was wir bei den vergangenen Alben weniger gemacht haben. Wir haben auch bei der Songstruktur was Neues ausprobiert und haben sogar eine Rockballade mit dabei. Aber inhaltlich, von den Texten und der Musik ist es auf keinen Fall schwächer und es wird sich nichts am grundlegenden Sound ändern.
Tobi: Es ist auch nicht so, dass das Label einen bestimmten Sound fordert.  Wenn es zur Zusammenarbeit kommt, wissen sie ja, welche Musik wir machen und es bringt ja auch nichts, wenn jede Band gleich klingt. Es ist ja daran interessiert, abwechslungsreiche Bands unter Vertrag zu haben.

VRR: Ihr sagt, dass ihr euch bei dem neuen Album mit der Thematik beschäftigt habt, ob die Menschheit wirklich die Krone der Schöpfung darstellt. Könnt ihr schon mal verraten, welche Fragen ihr noch in den Songs behandelt?

anzeige_1200px_1406-215x300 Local Bastards Interview zur Videoveröffentlichung „Priester“Julian: Mit den ersten beiden Titeln haben wir bereits die Politik und die Religion abgehakt. Wir haben noch die Fernsehlandschaft unter die Lupe genommen mit dem Titel „Droge der Idioten“. Die kriegen auch ihr Fett weg. Es gibt natürlich auch einen Song, der „Krone der Schöpfung“ heißt und da bekommt die gesamte Menschheit ihr Fett weg. Das Album ist quasi ein musikalischer Rundumschlag. (lacht)

VRR: Dankeschön, dass ihr euch die Zeit genommen habt und für die interessante Diskussion. Ihr habt das Schlusswort an die Leser!

Julian: Wir können euch das neue Album nur ans Herz legen. Wer sich davon live selbst überzeugen möchte, kann am 14. Juni zu unserer Record-Release-Party nach Wetzlar kommen.
Tobi: Dann geht es schon weiter in die Festival-Saison, auf die wir uns sehr freuen. Im Herbst sind wir dann bei der Rookies & Kings-Tour dabei. Also am besten einfach vorbei kommen und sich das Album live um die Ohren hauen lassen. Natürlich schon vorher vorbestellen. Es ist auch erstmalig als streng limitierte Box erhältlich, die auch schon stark vergriffen ist.


Fazit:

Schlussendlich muss sich jeder selbst eine Meinung darüber bilden, ob es legitim ist oder nicht an einem religiösen Feiertag so einen Song zu veröffentlichen. Aber wir müssen den Bastarden schon Recht geben: nur wenn man laut schreit, findet man in der Gesellschaft Gehör. Und lieber einmal mehr aufschreien, provozieren und anecken, als dass ein Kind nur eine Minute länger irgendwelche Leiden erfahren muss – und das auch am Karfreitag.

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