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10 Jahre Spreewaldrock: Eine Ära geht zu Ende

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Eine Ära geht zu Ende! Das Spreewaldrock Festival feierte in diesem Jahr 10-jähriges Jubiläum. Bei aller Vorfreude und Euphorie, mit der wir auf dieses verlängerte Wochenende hin gefiebert hatten, schwang auch immer ein wenig Wehmut mit. Ein elftes Spreewaldrock Festival wird es nicht geben, deshalb behalten wir die vergangenen vier Tage nicht nur in unseren Herzen, sondern mit den kommenden Zeilen und Bildern auch in Erinnerung.

Von Stau und glutenfreiem Bier

Nach unzähligen Stunden auf der Autobahn erreichten wir endlich das lang ersehnte Drachhausen. In den frühen Morgenstunden begrüßte uns schon eine schier unendliche Schlange an wartenden Fahrzeugen, die auf die Einfahrt auf das Gelände warteten. Bis zur ersten Band des Abends blieb jedoch noch eine Menge Zeit um sich häuslich auf dem Campingplatz einzurichten und sich feuchtfröhlich darauf einzustimmen. Den Startschuss des Abends sollten Versus geben, doch noch während Sänger Nils nichtsahnend auf dem Campingplatz glutenfreies Bierchen süffelte, kam die Hiobsbotschaft: Stau! Kurzerhand erklärten sich die Local Bastards bereit, die Spielzeiten zu tauschen.

Donnerstag: Let’s Go

Die meisten Bands sind immer gierig auf die Mainstage, doch beim Spreewaldrock ist der beste Slot, den man haben kann, der Opener am Donnerstag auf der Campstage. Völlig ausgehungert von der Festivalpause reißen die Feierwütigen ganz gewaltig die Hütte ab. So starteten die Bastarde den Abend vor tobendem Publikum, gefolgt von Versus, die es bis dahin glücklicherweise rechtzeitig aus dem Stau geschafft hatten. Vom Unglück verfolgt, streikte dann auch noch Nils Gitarre, was der Stimmung vor der Bühne aber keinen Abbruch tat. Während mir jemand eine halbe Stunde lang erklärte, was „Nutscaping“ ist – bitte googelt das selbst – stiefelte bestens gelaunt und leicht angerauscht ein Typ im Spongebob-Kostüm aus der Menge und hatte sich eine Ananas unter den Arm geklemmt. Leute, sowas gibt es nur hier.

Volle Pulle Skinhead Rock’n’Roll gabs anschließend mit Haymaker, die für eskalationsartigen Pogo sorgten. Als Kontrastprogramm legte Kiedi mit seiner Affenbande nach und verleite mit Songs über Jacky Cola und mächtigen Möpsen zum Mitsingen. Es wurde viel um den Secret Act gemunkelt und die Vermutung der Mehrheit sollte sich bewahrheiten. Martens Army waren die Favoriten bei den heißen Spekulationen und wurden deshalb auf der Bühne auch gebührend empfangen. Den tanzbaren Ausklang des Abends übernahm anschließend DJ Tobi.

Freitag: Vollgas trotz Katerstimmung

Je härter gefeiert wird, desto übler der Kater. Doch Zeit um auszunüchtern blieb keine. Russisch Roulette starteten in der frühen Mittagsstunde und die chaotischen Stimmungsmacher wollte keiner von uns verpassen. Bei praller Sonne gab es 3 Dinge, die unabkömmlich waren: Sonnencreme, Sonnenbrille und jede Menge Flüssigkeit. Da wir ja alle wissen, wie schwer es ist, seine 2 Liter Wasser am Tag zu trinken, aber 5 Liter Bier runtergehen, wie ein dickes Kind auf der Wippe, fiel diese Entscheidung leicht. Während wir uns vorm Austrocknen schützten, heizten Fräulein Tonspur mit Hits wie „Olga“ weiter ein. Die beiden letzten Acts auf der Campstage waren die befreundeten Bands Restrisiko und Brennstoff, die für Totalabriss sorgten. Nachdem die letzten Töne von Brennstoff verklangen, hieß es sprinten.

Überraschungs-Auftritt

Auf der Mainstage standen bereits Neurotox in den Startlöchern und trotz hastigem Laufschritt schafften wir es nicht pünktlich zur Bühne. Die Leute, die sich zu dem Zeitpunkt bereits aufs Gelände geschleppt hatten, empfingen die Nord-Rhein-Westfalen allerdings herzlich. Kurz darauf folgte bei uns Verwirrung. Während wir am Camp nur mal schnell die Füße hochlegen wollten, dröhnte von der Bühne der unverkennbare Klang von Schlussakkord, die offenbar mit Inge & Heinz die Spieltage getauscht hatten. Also doch keine Chance auf eine Verschnaufpause!

Von Berlin bis Hinterwald

Bei Berserker Berlin und den Bonkers füllte sich der Platz immer weiter, denn eines der jährlichen Highlights stand an diesem Tag auf dem Plan. Die Wolle Petry Tribute Show sorgt jedes Mal aufs Neue für absolute Ausnahmezustände. Knapp 5.000 knallharte Rockfans, die völlig souverän und textsicher „Der Himmel brennt“ oder „Verlieben, verloren, vergessen, verzeihen“ mitgröhlen, sind ein unvergleichliches Phänomen. Auch danach sollte keiner mehr den Platz an der Hauptbühne verlassen. Toxpack starteten ihr Live-Wochenende auf dem Spreewald und zerlegten regelrecht die Mainstage. Nach dem Auftritt war für die Berliner Eile geboten, denn ihr nächster Halt war Rock am Ring. Im Anschluss stiegen unsere Kinder aus Hinterwald auf die Bühne und sorgten für stimmgewaltige Chöre aus dem Publikum. Kärbholz sind bei jedem Konzert ein Garant für memorable Momente und auch dieser Auftritt auf dem letzten Spreewaldrock wird uns lange im Gedächtnis bleiben. Zum Abschluss des Abends feuerte die Rammstein Coverband RMC aus allen Rohren.

Samstag: Spielzeiten-Rätsel

Nachdem Der Sonne zu nah ihren Auftritt abgesagt hatten und Enorm sich zwischenzeitlich aufgelöst hatten, blieb die Frage offen, wer stattdessen einspringt. Womit vermutlich niemand gerechnet hätte, war der Hutmacher. Aber unverhofft kommt oft und deshalb stand ohne Vorwarnung der ehemalige Frontman der Wilden Jungs im fancy Kostüm auf der Campstage mitten im Spreewald. Weniger überraschend war dann der Auftritt von Leidbild. Mit Polonaise im Publikum, einem Frontmann, der die Bühne hochkletterte und gesanglicher Unterstützung einiger Musikerkollegen beim Song „Rock’n’Roll ist international“ lieferten die Frankfurter – wie gewohnt – einen mitreißenden Auftritt ab. Im Anschluss spielten Delirium Rock’n Roll, die bereits im Vorfeld merklich Gas am Glas gegeben hatten. Da auch an diesem Tag die Spielzeiten eng getacktet waren, hatten es Brandalarm auf der Mainstage schwer. Zu Alles mit Stil war der Platz dann aber wieder gut gefüllt. Wer AMS bereits live gesehen hat, weiß, dass auf der Bühne richtig Action ist. Coole Typen, satter Sound und ganz viel Attitüde.

Keine Müdigkeit vortäuschen

Apropos gut aussehen auf der Bühne: Das nächste Highlight des Tages folgte prompt. Artefuckt peitschten das bereits durch mehrere Festivaltage geschändete Publikum nochmal zu Höchstleistungen. Und dann kamen die Jungs von Rotz & Wasser mit Nutten, Koks und Kaviar – naja fast. Zumindest versuchten sie eine junge Dame auf die Bühne zu holen, die ihre Titten zeigt. New Roses waren der erste Act des Tages, mit englischsprachigem Rock und konnten sogar einige der eingefleischten Deutschrocker überzeugen.

Noch einmal alles abfackeln

Dann war es endlich so weit: Die KrawallBrüder betraten die Bühne. In weiser Voraussicht zogen wir uns nicht nur einen Pulli mit Kapuze an, sondern auch noch direkt eine Jacke drüber. Nicht etwa, weil es am Abend etwa frisch wurde, nein, wir wollten uns von Bengalos nicht die Haare abfackeln lassen. So viel sei gesagt, die Haare sind noch dran, Jacke und Pulli landeten danach allerdings völlig verschmort im Müll.  Aber Verluste gibt es immer und der Auftritt der Brüder war es allemal wert. Der Anblick des rot erleuchteten Himmels, diese unfassbare Menschenmenge und der gewaltige Pogokreis sind einmalig. Uns wird sie fehlen, die zweite Heimat. F.U.C.K. beendeten den vorletzten Festivaltag mit Coversongs.

Sonntag: Finale

Der letzte Tag begann wieder mit brütender Hitze. Kaum aus der Dusche geschlüpft, triefte einem der Schweiß schon wieder aus sämtlichen Ritzen. Doch die Fans von Willkuer konnte nichts aufhalten. Vor der Campstage war die Hölle los, aber Willkuer kämpften mit der Technik. Mehrmals fiel der Strom aus, doch das Publikum überbrückte den Umstand mit Gesängen und einer Engelsgeduld. Verkehrs-Chaos machte auch den Ochmoneks zu schaffen. Die stürzten mit Verspätung aus ihrem Bus, direkt auf die Bühne. Nachdem Inge & Heinz ihren Slot mit Schlussakkord getauscht hatten, mussten sie ihr extravagantes Showprogramm auf die kleine Bühne packen. Schade, denn die Jungs und Mädels sind definitiv für die ganz großen Bühnen gedacht.

Geballte Frauenpower

Auch die EgOisten ereilte als erster Act auf der Mainstage das gleiche Schicksal wie die Bands zuvor. Ebbe vor der Bühne, weil es auf der Campstage ebenfalls noch heiß herging. Nichtsdestotrotz gaben die EgOisten Vollgas. Rockwasser machte im Anschluss daran, die Hitze zu schaffen, die Fans drehten allerdings erst richtig auf. Es gab schließlich was zu feiern, nämlich das nagelneue Album C’EST LA VIE. Auf die geballte Ladung Frauenpower freuten wir uns schon ganz besonders. Bei The Headlines lieferte Frontfrau und Rampensau Kerry eine Show ab, die ihresgleichen sucht. Mit staunenden Blicken beobachteten wir, wie das blonde Energiebündel die Bühne vereinnahmte und das Publikum in ihren zauberhaften Bann zog.

Cello oder doch lieber Mittelfinger

Mit Vogelfrey zogen mittelalterliche Klänge ein. Kostümiert und mit Violine und Cello im Gepäck fiedelten sie dem Spreewald Folk Rock in die Gehörgänge. Weniger kultiviert pöbelten anschließend BRDIGUNG von der Bühne. Zwischen Mittelfingern und verbalen Tiefschlägen schüttelten sie sich natürlich auch ein paar satte Riffs aus der Gitarre.

Ska und Polka-Beats

Und plötzlich war auf der Bühne die Hölle los, man wusste gar nicht, wo man zuerst hinblicken sollte. Man hätte annehmen können, da hat gerade eine kostümierte Fußballmannschaft die Bühne gestürmt, bei der Menge an Leuten, aber es war Russkaja. Sie präsentierten eine Mischung aus Ska, Rock und Polka-Beats. Das internationale Musikerkollektiv nutze die Gelegenheit und machte auf die Situation in der Ukraine aufmerksam und bekam daraufhin tosenden Applaus.

Der Osten rockt

Ja, der Osten rockt, das haben wir am inzwischen letzten Tag des Spreewaldrock Festivals längst begriffen. Goitzsche Front machten das aber nochmal deutlich und läuteten langsam das große Finale des Abends ein. Der letzte Act, des letzten Tages und des letzten SRF war Unantastbar. Den Südtirolern wurde somit die Ehre und Bürde zuteil, das Kapitel Spreewaldrock für immer zu schließen. Aber wer wäre wohl besser geeignet als Unantastbar? Mit den letzten Kraftreserven sangen, tanzten und pogten die Fans ein letztes Mal. Mit Gänsehaut am ganzen Körper konnte man beobachten, wie die Bengalos den Nachthimmel taghell erleuchteten. Bei all den großartigen Momenten der vergangenen Tage, hatte man verdrängt, was kommen wird, aber jetzt schwang endgültig die Wehmut mit.

Mit Tränen in den Augen

Den wohl bewegendsten Moment des gesamten Festivals bescherte uns Veranstalter Flo, der von Unantastbar auf die Bühne gebeten wurde. Zu Tränen gerührt bestätigte er noch einmal, dass dies das Ende einer Ära ist und es keine Fortsetzung des Spreewaldrocks geben wird. Wir waren vermutlich nicht die Einzigen, die sich in diesem Augenblick das ein oder andere Tränchen aus dem Gesicht wischen mussten. Wir bedanken uns an dieser Stelle für eine unfassbar schöne Zeit, eine Gastfreundschaft, die ihresgleichen sucht, wilde Backstage-Partys, perfekte Orga, fantastische Line Ups, das familiäre Miteinander und ein Festivalerlebnis, das für uns jedes Jahr aufs Neue ein absolutes Highlight war. Während wir in denkwürdigen Erinnerungen schwelgen, hoffen wir insgeheim auf eine Fortsetzung.

Feuer frei

Um den Abschluss komplett zu machen gab es noch ein finales Feuerwerk, das den Nachthimmel erleuchtete. Nach dem letzten Knall sah man die Menschenmenge langsam vom Gelände trotten. Während die einen sich schonmal mental auf die Heimreise einstimmten und sich ins Bett legten, gaben andere noch ein letztes Mal Vollgas und ließen die Korken knallen.

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10 Jahre Spreewaldrock: Die Galerie

Redaktionell verantwortlich für diesen Artikel:

"Immer Vollgas und keine Angst vorm Scheitern. Immer Vollgas, immer nach vorne immer weiter..."

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