Zwei Abende, drei Bands, ein Statement. Es gibt Konzertwochenenden, die man erlebt und solche, die man spürt. Dieses hier gehörte eindeutig zur zweiten Kategorie. Als Dritte Wahl im Hirsch in Nürnberg gleich zwei Abende hintereinander zum Stelldichein bat, war sofort klar, dass hier mehr passieren würde als ein paar laute Akkorde und schweißgetränkte Chöre. Mit SOAB als Freitagsanheizer und MandelKokainSchnaps als Samstagsverstärkung formte sich ein Line-up, das nach Energie, Haltung und ehrlichem Punk-Herz klang. Zwei Nächte, drei Bands und ein Publikum, das kam und eindrucksvoll zeigte, dass es mehr als bereit dafür war.

Ein Faustschlag aus Groove und Wut

Der Freitag begann, wie man einen Doppelabend beginnen sollte: laut, ungeschliffen und mit diesem ehrlichen Druck, der sofort in die Beine fährt. SOAB kam nicht einfach auf der Bühne, sie explodierte förmlich darauf. Ihr Mix aus Punk, Hardcore und treibender Rockkante ließ keine Zeit zum Warmlaufen. Die Band spielte, als wollten sie die Wände des Hirschs zum Einsturz bringen und gleichzeitig das Publikum wachrütteln. Bereits beim zweiten Song wurde mit dem Publikum gemeinsam gesungen, um das Eis zu brechen. Das gelang ohnehin spätestens beim dritten Song, den die Jungs von Wolfang Petry coverten. Besonders im Sinn blieb uns, wie der zweite Sänger bei ihrem Song „Maulmische“ auf die Theke kletterte. Wenn das mal keinen Spaß gemacht hat, dann wissen wir auch nicht mehr weiter. Spätestens zum letzten Song war die Meute dann endgültig wach, denn zu „Get the fuck up“ gab es nicht nur Mittelfinger, sondern auch den passenden Moshpit.

Der Samstag war wild, bunt und überraschend melancholisch

Am Samstag betrat MandelKokainSchnaps als Erstes die Bühne – schrill, glitzernd und auffallend wie eh und je. Sie brachte sofort ihre ganz eigene, leicht anarchische Mischung aus Humor, Wahnsinn und musikalischem Feingefühl mit. Wo der Freitag hart und direkt war, zeigte der Samstag, dass Punk auch exzentrisch, verspielt und herrlich unvorhersehbar sein kann. Auch wenn Sängerin Wenke an diesem Abend auffällig nah am Wasser gebaut war, war diese Show umso authentischer. Inklusive der ein oder anderen empathischen Träne, die im Publikum mit floss. Mit ihren stilübergreifenden Einflüssen, ihren ironisch-ernsten Texten und der charmanten Bühnenpräsenz katapultierte sie den Saal in eine Atmosphäre, die gleichermaßen nach Party, Theater und politischem Zeigefinger roch. MandelKokainSchnaps tat genau das, was eine gute Vorband tun muss: Sie riss die Stimmung nach oben, ohne jemanden zu überfordern und übergab eine aufgeheizte, grinsende Masse an die Headliner.

Dritte Wahl – zwei Nächte, ein Vermächtnis

Wenn Dritte Wahl die Bühne betritt, ist es immer ein bisschen so, als bekäme man Besuch von alten Freunden, die mit jedem Jahr nur lauter, wütender und irgendwie weiser werden. Und da war es völlig egal, ob es der Freitag oder der Samstag war. An beiden Abenden knallten die ersten Riffs wie ein Weckruf durchs Publikum. Direkt von Beginn an tobte der Moshpit und die Meute war nicht mehr zu bremsen. Mit einer Setlist, die sich durch die Jahrzehnte an Bandgeschichte wälzte, zeigte sie, warum ihr Sound bis heute Relevanz besitzt. Zwei Abende mit unterschiedlichen Setlisten. Lediglich drei Lieder, die man sich, ehrlicherweise eben auch aus keinem Abend zu streichen traut, wurden an beiden Abenden gespielt. Doch warum können wir uns an keine Songs mehr erinnern, wurden wir etwa „Geblitzdingst“? Wir sind einfach gute Menschen und hören auf den Wunsch der Band, dass alles spoilerfrei vonstatten geht. Schließlich läuft die Tour noch ein paar Tage. Die Mischung aus energiegeladenen Hymnen, politischen Botschaften und dieser unnachahmlichen Rostocker Ehrlichkeit traf mitten ins Herz. Ob Klassiker oder neuere Bretter: Die Menge sang, brüllte, tanzte, als wären diese beiden Abende ein einziger, kollektiver Befreiungsschlag. Zwischen den Songs gab es keine großen Schnörkel, nur klare Worte, einen völlig normalen Gunnar (der sich ab und an etwas aufregt), Haltung und dieses ruhige Vertrauen einer Band, die nichts mehr beweisen muss, aber trotzdem alles gibt. Einfach geil!

Mehr als Musik: Zusammenhalt, Haltung und Zeitgeschichte

Der Doppelabend zeigte einmal mehr, dass Dritte Wahl live nicht nur eine Show spielt. Sie erzählte, erinnerte und forderte heraus. Man sah Menschen, die seit Jahrzehnten zu diesen Songs aufgewachsen sind und andere, die sie gerade erst entdeckten. Und genau dies machte die Magie aus. Diese Band schlägt Brücken zwischen Generationen, zwischen Welten, zwischen dem Gestern und dem Heute. Der Hirsch wurde an beiden Abenden zum Treffpunkt all jener, die Punk nicht als Mode verstehen, sondern als Lebensgefühl, das nie ganz leise wurde.

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Redaktionell verantwortlich für diesen Artikel:

Vanny Weinhold

Redaktion

Als Kind der 90er bin ich vor allem mit Rock aufgewachsen. In meiner Jugend wurde ich dann mit Hilfe von Mittelalter-, Goth- und Metaleinflüssen zu dem Menschen geformt, der ich heute bin - und auf eben genau diesen Menschen bin ich heute verdammt stolz!
Ich nehme jede Erinnerung mit, die ich kriegen kann… Wann ist nochmal das nächste Konzert?