Vergessen und verstaubt! Nicht mit uns!
Heute Buchstabe A- wie (Die) Allergie – inklusive exklusiven Informationen
Jäger und Sammler werden das kennen. Das Platten- oder CD-Regal ist voll und alle Furz lang muss man alles mal entstauben. Dabei findet man nicht selten Longplayer, an die man gar nicht mehr gedacht hatte oder entdeckt eine fast vergessene Band wieder. Ich habe auch mal Staub gewischt und stelle euch meine verstaubten Alben vor, heute den Buchstaben A, wie (Die) Allergie mit dem Album DUNKELGRAUE LIEDER FÜR DAS NÄCHSTE JAHRTAUSEND.
Härtere neue deutsche Härte
Wir schreiben das Jahr 1993. Das Jahr der Gründung von Die Allergie. Es waren die ersten Jahre der Neuen Deutschen Härte. Oomph! machten es mit ihrer Mischung aus Groove Metal à la Prong oder Pantera vor, Rammstein zogen sehr erfolgreich nach und Die Allergie spielten schon längst NDH und hatten mich mit ihrem zweiten Album DUNKELGRAUE LIEDER FÜR DAS NÄCHSTE JAHRTAUSEND mehr überzeugt, als bekanntere deutschsprachige Bands dieser Gattung. Zwischen den Jahren 1995 und 2000 wurden eine Demo, drei Alben und eine EP veröffentlicht. Nach dem Debütalbum PSALM IN BLEI von 1995 kam 1998 DUNKELGRAUE LIEDER FÜR DAS NÄCHSTE JAHRTAUSEND auf den Markt. Zur damaligen Zeit bestand die Württemberger Band aus Bösi am Schlagzeug, Bassist Markus, Dany am Keyboard und zuständig für die Samples, Roger an der Gitarre und Sänger Albi.
Auf den Spuren von Ministry und Die Krupps
Ja, irgendwo dazwischen kann man Die Allergie einordnen. Die Allergie legten musikalisch noch einiges mehr in den Topf und durften sich eher zum Industrial Metal zählen. Ungewöhnlich für damalige deutsche Musikverhältnisse, bot das Album einen extravaganten Sound mit brachialen Klängen und Texten über unschöne Themen. Die Württemberger verbreiteten Liedzeilen über sexuelle Gewalt, Drogen und Sekten. Kocht man Ministry mit etwas Fear Factory auf und schlägt noch etwas Pantera drunter, entsteht DUNKELGRAUE LIEDER FÜR DAS NÄCHSTE JAHRTAUSEND. Hätten wir damals schon existiert, würden nun knackige 8 von 10 Punkten hier auftauchen.
Fragen über Fragen
Wer sich im ersten Abschnitt schon wunderte, dass die VÖ von DUNKELGRAUE LIEDER FÜR DAS NÄCHSTE JAHRTAUSEND auf 1998 datiert ist, dem wird geholfen werden. Denn der Silberling selber wurde datiert auf 1998, die Rückseite des Booklets trägt das Jahr 1999. Doch dazu später mehr. Denn auch verwunderlich ist, dass die Facebook Seite noch existiert und vor gar nicht allzu langer Zeit die Spotify Liste aktualisiert wurde. Wir wollten mehr wissen und gruben tiefer, spürten Gitarrist Roger Grüninger und Schlagzeuger Vlocky auf. Vlocky spielte auf PSALM IN BLEI noch aktiv Schlagzeug und arbeitete bei den letzten beiden Alben im Hintergrund an den Texten und den Arrangements.
Aus dem Telefonat mit Gitarrist Roger Grüninger
Auf meine Frage, warum gleich ein Jahr nach DUNKELGRAUE LIEDER FÜR DAS NÄCHSTE JAHRTAUSENT VIRUS II erschien, war Roger kurzzeitig überrascht. „Das ist so nicht richtig. Das Album wurde 1998 veröffentlicht. Warum da zwei verschiedene Daten auf dem Album stehen, kann ich mir nicht erklären.“ Sei es drum. Das wäre geklärt. Doch wie ging es nun weiter? Vor ihrem dritten Album VIRUS III, das im Jahr 2000 erschien, veröffentlichten Die Allergie ohne Label die EP DEMOKRATIE. In den darauffolgenden Jahren hörte man nichts mehr von Veröffentlichungen der Band und auch um die Band selbst wurde es still. Man dürfte hier von inaktiv sprechen. Was war passiert?
Damit hatte keiner gerechnet
Nach VIRUS III, im Jahr 2000, sollte es eine Tour geben. Alles war geplant, Shirts gedruckt, die Band bereit. Dann kam ein entsetzlicher Anruf. Sänger Albi sitze wegen eines Heroindelikts in Untersuchungshaft. Jeder in der Band war überrascht, weil keiner geahnt hatte, dass Albi etwas mit Heroin zu tun hatte. Als es zur Gerichtsverhandlung kam und das Urteil gesprochen werden sollte, münzte das Gericht die Freiheitstrafe in eine Drogenentziehungstherapie um. Albi schloss diese mit Erfolg ab. Dennoch kam es in den darauffolgenden Jahren zu keinen weiteren musikalischen Aktivitäten der Band. Zehn Jahre nach der letzten Veröffentlichung verstarb am 10. Mai 2020 Sänger Albi an Krebs.
Das Interview mit Vlocky – Reunion?
VRR: Ihr habt eine offizielle Bandauflösung nirgends veröffentlicht. Existiert Die Allergie noch?
Vlocky: Eine offizielle Bandauflösung hat es eigentlich nie gegeben, da wir immer wieder mit dem Gedanken gespielt haben, die Band wiederzubeleben. Vor einigen Monaten waren Roger und ich in seinem Studio und haben unseren ersten Song „Die Allergie“ neu eingespielt, da wir vorhaben, ein paar unserer alten Songs neu aufzunehmen. Wir beide sind zeitlich sehr eingebunden. Von daher wird das noch einige Zeit auf sich warten lassen müssen, bis wir etwas Amtliches vorzeigen können.
VRR: Das letzte Album VIRUS III erschien 2000, habt aber bis Albi verstarb, keine weitere Musik veröffentlicht. Was war der Grund?
Vlocky: Nach einigen Umbesetzungen, Unstimmigkeiten mit unserem damaligen Label und weil Albi aus privaten Gründen die Band verlassen hatte, haben wir Die Allergie auf Eis gelegt. Albi war noch längere Zeit Sänger in einer Hardcore-Band, namens Raging Anger, bis er tragischer Weise kurz nach Release ihres ersten Albums verstorben ist.
VRR: Was machen die restlichen Bandmitglieder heute?
Vlocky. Zu den meisten Bandmitgliedern von Die Allegrie habe ich nur noch lose über Social Media Kontakt. Außer zu Roger natürlich, da ich in seinem Unternehmen „TORO Eventservices“ im Marketing arbeite. Bei TORO stellen wir das Fachpersonal für Veranstaltungen wie Rammstein, Guns ‘N’ Roses und anderen Großveranstaltungen. Nach der Zeit von Die Allergie und REAL:DEAD:LOVE habe ich mit dem Schlagzeug spielen aufgehört und kümmere mich seither um das Kreative im Hintergrund. Roger produziert weiterhin Bands in seinem Studio (http://www.studio141.de/), ist als Veranstaltungsmeister unterwegs und als Gitarrist in verschiedenen Bands aktiv.
Ein Teil der Neuen Deutschen Härte
VRR: Kannst du uns ein kleines Resümee über die Zeit mit Die Allergie geben? Was vermisst du am meisten?
Vlocky: Eigentlich alles! Ich vermisse die aufregende Zeit, in der wir unbeschwert mit einer kleinen Vision eine Band gegründet haben, uns jedes Wochenende im Proberaum verschanzten, um Songs zu schreiben und plötzlich hatten wir einen Deal bei der EMI, waren bei unserem Produzenten Dieter Roth im Studio und befanden uns schon kurze Zeit später auf Tour mit Bands wie Fleischmann, Napalm Death, Crowbar oder Pro-Pain. Das passierte alles wahnsinnig schnell und war der Lohn für harte Arbeit. Auch die ganzen irren Momente und Begegnungen, die man eben nur auf Tour erlebt.
VRR: Möchtest du unseren Lesern noch etwas mitteilen?
Vlocky: Obwohl es viele Erinnerungen an die guten alten Zeiten gibt, bin ich immer wieder erfreut, wie viele neue deutschsprachige Metal- und Rockbands es auch heute noch gibt und erfolgreich sind. Das stimmt mich positiv! Deshalb ganz großen Dank an euch, dass ihr diesen Künstlern eine Plattform bietet und auch dafür, dass Bands der Neuen Deutschen Härte, wie Die Allergie, nicht in Vergessenheit geraten!
Bleibt gespannt und Neugierig
In diesem Sinne. Gedenken wir doch der Band und Albi und genießen wir die gute alte Zeit mit etwas Musik von Die Allergie, indem wir unsere Playlisten ergänzen. Spotify – Die Allergie
Und vielleicht wird es ja was mit einer Reunion. Das nächste Mal machen wir mit dem Buchstaben B weiter. Und dann mit C. Und dann mit D. Ihr wisst ja, wie das weitergeht!?
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Mit Baujahr 1976 nicht mehr so ganz jung, bin ich im Herzen der Republik, in Anhalt aufgewachsen.
Mit 19 Jahren zog es mich nach Baden-Württemberg. Aufgewachsen mit Heavy Metal à la Metallica, Slayer und Kreator etc., pubertierte ich mit dem Punk, bis ich dann mit dem New York Hardcore erwachsen wurde. Es gilt: Ob Metal oder Punk, in deutsch oder englisch, Hauptsache mir gefällt´s.