Stomper 98 – Sebi im Interview – Teil 1

Foto: Christian Thiele

Auf ihrer Release Tour zum selbst betitelten Album, das von Marc Wüstenhagen in Berlin im Daily Hero Studio aufgenommen wurde, standen Stomper 98 kürzlich in Jena auf der Bühne und rissen, wie auch an den anderen Terminen, die Bühne ab. Fans und Band haben vermutlich schon Resümee gezogen. Denn die nächsten Termine für dieses Jahr stehen schon. TOUR | Stomper 98 Wir durften uns mit Sänger Sebi im Backstage zu einem Interview verabreden.

VRR: Hallo Sebi, danke für deine Zeit. Aus welchem Grund habt ihr euren siebten Longplayer selbst betitelt? Gab es noch andere Ideen?

Sebi: Es hat sich gut angefühlt. Wir haben vorher immer Platten mit Titeln gehabt. Das Album hat sich schon beim Schreiben der Songs herauskristallisiert, dass es für sich steht. 25 Jahre Stomper 98. Ein neues Album nach fünf Jahren. Das hatte für uns den Alleinstellungswert in dem Moment.

VRR: Erwies es sich als schwierig, zum neuen Album die Mannschaft zueinander zu bekommen. Ich rede da explizit von Tommi und Lars. Aber auch du und Silvio seid ja noch anderweitig in Bands aktiv. Wie organisiert ihr das?

Sebi: Wir sind nicht nur mit Musik beschäftigt. Wir gehen auch arbeiten, haben familiäre Verpflichtungen, wie die meisten Menschen das kennen. Dementsprechend spielt die Band in unserem Leben eine große Rolle. Sachen, für die man brennt, die einem wichtig sind, da schafft man sich Platz für den Moment. Wir planen langfristig und organisiert. Wenn es dann nötig ist und der Pfiff tönt, dann haben alle Zeit oder nehmen sich die Zeit.

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Foto: Torsten Eckardt

Das ist Authentizität

VRR: Wie schafft es Stomper 98, unverwechselbar zu klingen?

Sebi: Ich pfeife eigentlich auf dieses ich-bleib-mir-selbst-treu-Gelaber. Wir machen das, was sich gerade für uns richtig anfühlt. Für uns, nur für uns! Das ist Authentizität. Wenn ich jetzt Lust hätte, ein Reggae-Album zu schreiben oder wenn Tommi jetzt Ska für sich entdecken würde und wir das machen wollen, dann würden wir es natürlich machen. Für uns als Band muss es sich gut anfühlen. Und wenn es anderen Leuten gefällt, ist es total schön. Wenn es denen aber nicht gefällt, dann ist das auch okay, wir können damit leben. Am Ende des Tages weiß eigentlich niemand so gut, wie wir klingen wollen in dem Moment. Z.B. wie wenn Tommi die Ideen für einen Song hat. Dann hat er musikalisch auch schon eine Vorstellung entwickelt hat, in welche Richtung es alles geht.

VRR: Ihr habt das Album über das neu gegründete hauseigene Label veröffentlicht. Erzähl bitte etwas dazu. Wie kam es dazu? Was waren die Gründe? Keine Lust auf Vorschriften oder andere Labels?

Sebi: Nein, es war einfach nur über die Jahrzehnte die Erfahrungen, die wir gemacht haben. Es ist so, dass wir einfach den Schritt gehen wollten. Jetzt probieren wir das aus. Wir haben praktisch alles selbst in der Hand und können auch selbst Entscheidungen treffen. Man hat einen Rahmen, in dem man sich bewegt, wenn man bei einem Label ist. Es war immer so ein bisschen geben und nehmen. Was wir wollen, wurde in der Regel immer berücksichtigt. Wir hatten über die Jahre die Erfahrung und die Skills, das zu machen. Wir haben es einfach ausprobiert und es ist gut aufgegangen.

Alles ist Statement

VRR: Die erste Single „Alex, Schatten der Nacht“ bezieht sich auf den Protagonisten des Films Clockwork Orange. Meines Wissens seid ihr nach den Toten Hosen erst die zweite Band, die sich dies als Thema annimmt.

Sebi: Das stimmt so nicht mit den Toten Hosen. Clockwork Orange ist schon seit Anbeginn Thema in der Subkultur. Gerade in der Welt, in der wir uns bewegen. Viele Punk-Rock-Bands aus England haben ein ganzes Image aufgebaut. Major Accident, The Addicts, Die Toten Hosen waren Ende der 80er. Das ist ein zeitloses Buch und natürlich auch ein krasser Film. Nur besetzt von Stanley Kubrick. Es ist eine Gesellschaftskritik, die heute noch Bestand hat. Diese Mischung aus Gewaltaffinität und Täter und Opfer. Das ist für uns schon immer ein faszinierendes Thema gewesen. Der Song ist auch für uns eine Kritik. Die Aussage von uns ist kritisch aufzufassen. Wie viele von unseren Songs. Wir sagen den Leuten nicht, was sie denken sollen. Wir singen über das, was uns bewegt. Und was die Leute am Ende des Tages machen, ist nicht mehr mein Problem.

VRR: War die erste Singleauskopplung dahingehend ein Statement?

Sebi: Im Prinzip ist alles, was wir veröffentlichen, musikalisch ein Statement. Ich möchte keine belanglose Musik machen. Sicherlich haben wir auch heitere Themen. Oder mal so etwas wie den Boots, Bier und Bomberjacken Song. Aber grundsätzlich wird alles analysiert, was man sagt und was man von sich gibt als Musiker. Von wem auch immer. Darüber machen wir uns eigentlich keine Gedanken. In dem Moment ist es das, was wir sagen wollen.

Politik bleibt vor den Türen

VRR: Das Video zu „Alex, Schatten der Nacht“ war das allererste Video zu einem Song von euch. Dann habt ihr gleich weiter abgeliefert mit Videos. Aus welchem Grund gab es vorher keine?

Sebi: Keine Ahnung. Wir hatten kein Interesse daran. Wir haben Musik gemacht und Konzerte gespielt und nie darüber nachgedacht. Es war die Zeit, dass wir mit YouTube anfingen. Mit Live-Konzerten und Mitschnitten. Teilweise haben wir selbst etwas gemacht. Wir haben Lyric-Videos zu Platten gemacht. Das war nie ein Thema. Zu dem Album haben wir gesagt, wir haben Bock darauf. Dann haben wir uns ein paar Tage Zeit genommen. Wir haben drei Videos gedreht. Es hat auch Spaß gemacht. Alles in allem war es eine schöne Erfahrung.

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Foto: Torsten Eckardt

VRR: Googelt man euch, erscheinen regelmäßig zwei Begriffe. Erstens: Helden der Arbeiterklasse. Seid ihr das?

Sebi: Nein, mein Lied heißt Helden des Alltags. Für die Ewigkeit. Wir haben vor 15 Jahren ein Interview der Taz gegeben. Da war die Überschrift mit Arbeiterklasse. Das war aber die Überschrift von denen. Wir selbst bezeichnen uns nicht als Helden der Arbeiterklasse. Wir sind eine Band. Im traditionellen Sinne hat das Arbeiterklassenthema bei uns eine Rolle gespielt, weil wir einfache Leute sind, die das aus der Subkultur heraus gemacht haben. Arbeiterklasse hat nichts damit zu tun, ob man arbeitet oder nicht. Es hat etwas damit zu tun, wo man herkommt, wer man ist, welche Hintergründe man hat, was man macht und tut. Wir selbst haben uns nie als Helden der Arbeiterklasse bezeichnet.

VRR: Zweitens: Grauzonendebatte. Kommt es immer noch zu Situationen, in denen ihr euch erklären müsst oder ihr hinterfragt werdet?

Sebi: Für uns ist es so, wir haben uns klipp und klar immer wieder zu Thematiken dazu in Interviews geäußert. Und wir spielen auch in alternativen Clubs seit Jahr und Tag, von Anfang an. Wir haben unsere Grundsätze. Bei Stomper 98 ist es nicht nur so, dass die Politik vor der Tür zu bleiben hat, sondern wir haben auch keinen Bock auf irgendwelche Neonazis oder Rassisten. Wenn du unsere Musik hörst und unsere Texte verstehst, steht es außer Frage, dass wir so Leute überhaupt ansprechen, und diese bei uns gar nichts zu suchen haben. Durch meine Arbeit merke ich, es gibt auch das falsche Klientel, was sich angesprochen fühlt. Wir achten immer darauf, mit wem wir spielen, auf wen wir Bock haben, auf wen wir keinen Bock haben, wer überhaupt in unserer Welt passt, in der wir unterwegs sind.

Fürs erste sagen wir Danke an Sebi und verabschieden uns aus dem ersten Teil des Interviews. In wenigen Tagen geht es weiter mit Teil Zwei. Bis dahin gönnen wir uns:

Redaktionell verantwortlich für diesen Artikel:

Ich bin Tati aus dem grünen Herzen Deutschlands. In einer Musikerfamilie aufgewachsen, war es mir schon immer wichtig, die richtigen Töne zu finden. Ob in Wort oder Schrift, ob im Gesang oder in der Poesie. Jedes Genre und ein jeder Stil war mir willkommen. Und genau das hat mich in meiner Jugend geprägt und bis heute begleitet.

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Mit Baujahr 1976 nicht mehr so ganz jung, bin ich im Herzen der Republik, in Anhalt aufgewachsen.

Mit 19 Jahren zog es mich nach Baden-Württemberg. Aufgewachsen mit Heavy Metal à la Metallica, Slayer und Kreator etc., pubertierte ich mit dem Punk, bis ich dann mit dem New York Hardcore erwachsen wurde. Es gilt: Ob Metal oder Punk, in deutsch oder englisch, Hauptsache mir gefällt´s.