Sind wir „La Familia”?
Bekannt geworden durch die italienische Mafia, fand der Begriff „La Familia“ (Bed: Die Familie) Anklang und breite Verwendung in der heutigen Gesellschaft. Zwischen Motorradclubs und Modelabels ist der Begriff seit Geburt der heutigen Deutschrock-Szene ebenfalls in dieser beheimatet und findet sich nicht selten als Tattoo auf den Unterarmen Rock’n’roll-begeisterter Menschen wieder. Selbst in die Titel großartiger Hymnen unserer Szene hat sich der Begriff als passende Position durchgesetzt. Beispielsweise im Album „Hasspirin“ von den Wilden Jungs oder dem erst kürzlich veröffentlichten ersten Musikvideo zum neuen Album von BETONTOD.
Warum eigentlich das Ganze und was bedeutet „La Familia”?
Ist es eine Überzeugung mit Parallelen zu etablierten Konfessionen? Ist es ein aktuell tatsächlich existentes Gefühl innerhalb eines Musikgenres? Ist es einfach ein Modebegriff oder vielleicht doch nur ein Verkaufskonzept? Klar, „La Familia“ soll in erster Linie das Dasein einer Zugehörigkeit, eben einer Familie propagieren. Ohne diesen Begriff explizit für sich zu kommerzialisieren, sprachen bereits die Böhsen Onkelz und Frei.Wild früh von einer „Familie“ und/oder „Freunden“ statt von Fans. In diesem Fall könnte man das fast schon als eine Marketing- bzw. Kundenbindungsmaßnahme interpretieren. Dass eine Band ein Konzept für sich entwickeln muss um Fans zu akquirieren, sollte jedoch offensichtlich sein. „Unsere Familie“ oder „unsere Freunde“ hört sich halt eben netter und distanzloser an als „unsere Fans“. Sinn der Sache ist es also den Fans ein Gefühl von Zugehörigkeit und Mitgliedschaft zu vermitteln. Und es funktioniert. Da es in der Vergangenheit gut und gerne zu Fehlinterpretationen gekommen ist, sobald ein empfindliches Thema angesprochen wurde, möchten wir die Vermutung, das Konzept „La Familia“ als reine Verkaufsmaßnahme zu missbilligen, gleich vorwegnehmen.
Zurück zum Thema…
Legen wir einmal das wilde Philosophieren beiseite und stellen uns die Frage, ob und was genau da eigentlich dran ist. Zugegebenermaßen ist es Fakt, dass sich Bands wie Frei.Wild in Anbetracht ihrer Größe und Reichweite verhältnismäßig stark mit ihren Fans auseinandersetzen. Erst jüngst bröckelte die Liebe innerhalb der Onkelzfamilie. Grund zu dieser Annahme gaben die etlichen Hasstiraden im Netz während und nach des Matapaloz-Festival, die das Interesse der Onkelz an ihren Fans infrage stellte und die Tatsache während der Veranstaltung teilweise auf hartem Betonboden zelten zu müssen anprangerte. Von einem besonders familiären oder liebevollen Umgang mit seinen „Freunden“ und „Familienangehörigen“ kann in diesem Fall nicht zweifelsfrei gesprochen werden. Natürlich könnte man seine Fans als seine Freunde oder Familie bezeichen, wenn man sie sich über Jahre mittels harter Arbeit erspielt hat. Auch kleinere Bands tun es, obwohl sie von den allermeisten nicht einmal den Vornamen kennen. Na und? Auch bei Interpreten anderer Genres gilt die Prämisse, sich nicht zu sehr von seinen Fans zu distanzieren. Ob man deshalb Autokennzeichen mit „Wahre Freunde unterwegs” in sein Portfolio mit aufnehmen muss, ist die andere Frage. Ja, ich habe sie auch gekauft! Kompromisslos anzuerkennen ist die „Familie“ jedoch unter den Fans. Kennst du das? Du versackst auf dem Campingplatz bei völlig fremden Menschen und dir wird prompt ein Willkommens-Bier angeboten? Du findest dich plötzlich zwischen Freunden vergangener Festivals und Konzerte wieder, ohne euch verabredet zu haben? Ist es nicht toll zu wissen, alleine auf ein Festival zu fahren, aber sofort Anschluss finden zu können? Unter den Fans ist das die wahre „La Familia“.
Auch in der Öffentlichkeit kommt es vor, dass fremde Menschen in der Fußgängerzone beim ersten Blick sympathisch erscheinen, weil sie ein T-Shirt deiner Lieblingsband tragen. Nicht zuletzt, weil man auf Anhieb ein gemeinsames Gesprächsthema hätte, über das man sich unterhalten könnte. Aus eigener Erfahrung sind wir uns einig, dass es tatsächlich eine „La Familia“ unter den Deutschrockfans gibt.
Ein kurzer Schwank:
Ich hielt meine kleine Heimatstadt lange Zeit für so ziemlich deutschrockbefreites Terrain. Für mich gab es keine Kneipe oder Disco, in der die Musik gespielt wird, dir mir gefiel. Auch in meinem Freundeskreis musste ich erkennen, dass ich mit meinem Musikgeschmack alleine war. Da Musik schon immer eine wichtige Rolle gespielt hat, war dieser Umstand oft etwas nervig und irgendwo fast schon demotivierend. Meine „La Familia” lernte ich dann später auf den Festivals kennen… wie dem auch sei. In meiner vorlesungsfreien Zeit bin ich als Werksstudent in der Verbundzustellung der Deutschen Post in meiner Heimat beschäftigt. Ich griff mir auf Zustellung eine Hand voll Briefe und sortierte kurz, bis mir ein Einschreiben einer bekannten Deutschrockband auffiel. Da es sich um ein Einschreiben handelte, musste ich also für eine Unterschrift an der Haustür klingeln. Ich kannte die Person nicht, doch das Ergebnis eines sehr freundlichen Gespräches war, dass man sich auf einem kürzlich vergangenen Deutschrockfestival traf und eine Grund hatte, miteinander anzustoßen!
Welche coole Erfahrungen hast du schon gemacht?
Was bedeutet für dich La Familia?
Ist es…
– Deine eingeschweißte Festivaltruppe?
– Das allgemeine Gefühl innerhalb der Szene?
– Der Zusammenhalt unter den Fans innerhalb der Szene?
– Oder vielleicht doch der von den Bands und Veranstaltern vermittelte Umgang?
Redaktionell verantwortlich für diesen Artikel:
Über mich: Ich bin 23 Jahre jung und besuche seit 7 Jahren leidenschaftlich gerne Rockfestivals und Konzerte. Schnell konnte ich mich für die Abläufe hinter der Musik und dessen Drumherum begeistern, sodass ich mich bereits seit 6 Jahren intensiv in der Szene engagiere. Hauptberuflich bin in der kaufmännischen Branche zuzuordnen und befinde mich derzeit im Studium.
Mein Motto: Wenn du Bock auf etwas hast, findest du auch Zeit dazu!
(Gez: 15.01.2018 / Aktualisiert: 20.12.2018)