Interview mit DIE DORKS – UNBERECHENBAR

„Wenn man wie keine andere Band klingt, ist es immer eine Herausforderung, eine Musikrichtung für Presse, Bandinfo und Veranstalterinnen zu definieren. DIE DORKS sind zu räudig für Metal, zu melodisch für Hardcore, zu wenig 90er für Crossover, zu anspruchsvoll für Punkrock.“

Eine Beschreibung, die man bei DIE DORKS einfach immer wieder zitieren muss – treffender könnte man es kaum sagen. Wir haben mit der Band gesprochen und wollten wissen, wo es brennt, was das neue Album UNBERECHENBAR hergibt und in welche Läden es die aufstrebende Band auf Tour verschlägt.

VRR: Liza, wir kennen uns erst seit kurzem – und vom ersten Kontakt bis zu „Du kleines Arschloch“ an mich, lagen ungefähr zwei Stunden. Möchtest du dich dafür verantworten?

Liza: Lacht. Selbstverständlich. Ich hatte in dem Moment deine fantastische Review zum neuen Album gelesen, da konnte ich mir natürlich eine freundliche Sprachnachricht nicht verkneifen. Und da die Chemie zwischen uns ja offensichtlich sofort gestimmt hat, war ich mir sicher, dass wir den gleichen Humor haben. Aber ich war in dem Moment echt so perplex, weil ich absolut nicht damit gerechnet hatte, dass wir so einen Volltreffer landen. Eure Leserschaft muss ja denken, dass wir dich bestochen haben. Naja, ich habe dir ja angekündigt, dass es sehr viel Backstage-Bier für dich gibt, wenn du mal als Fotograf mit auf Tour kommst. Fällt das jetzt schon unter Bestechung?

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VRR: Jetzt, wo die Fronten geklärt sind, können wir richtig einsteigen. Bei meiner Recherche zu DIE DORKS kam mir zuerst die Frage: Was muss man eigentlich tun, um Musik zu produzieren, die so facettenreich klingt? Wie kam es zu der Beschreibung in meiner Einleitung: zu räudig für Metal, zu melodisch für Hardcore, zu wenig 90er für Crossover, zu anspruchsvoll für Punkrock?

Liza: Ich denke, in erster Linie liegt es daran, dass wir drei alle einen sehr breit gefächerten Musikgeschmack haben. Und der erstreckt sich von Punk- und Deutschrock über Classic Rock bis hin zu allen Spielarten des Metals, von Power-/Melodic-/Oldschool- bis hin zu Thrash- und Deathmetal. In unseren Playlists laufen Bands wie Slime oder Wizo genauso wie die Onkelz, Toxpack oder Kreator, Metallica, Maiden, Pantera und AC/DC. Daher kommen natürlich auch die Einflüsse für mich als Songwriterin der Band. Es war echt schwierig, eine passende Beschreibung für unseren Stil zu finden. Mark hatte dann 2022 diesen Einfall, den ich doch sehr treffend fand. Besonders das „zu anspruchsvoll für Punkrock“ hat mir gut gefallen, da manche mit Punk auch krachige, schlecht produzierte Musik assoziieren. So klingen wir definitiv nicht, auch wenn wir unsere Wurzeln im Punkrock haben. Uns gefällt es aber auch, Leute zu ärgern, die sich über diese Beschreibung dann aufregen. Es gibt gerade in diesen festgefahrenen Szene-Bubbles sehr viele, die wiederum mit professioneller Weiterentwicklung nicht klarkommen. Aber das hast du ja auch schon gemerkt, dass wir gerne charmant Leute ärgern.

VRR: Ihr steckt mitten in der Promo-Phase für euer neues Album UNBERECHENBAR, das am 16. Januar 26 erscheint. Wie sind eure Eindrücke von den ersten Reaktionen aus der Presse und von den Fans?

Liza: Unsere ersten beiden Singles „Lieber in der Hölle herrschen“ und „Exzessive Notwehr“ haben definitiv sehr positive Resonanzen bei denjenigen hervorgerufen, die unsere musikalische Weiterentwicklung mögen oder die uns gerade erst neu für sich entdeckt haben. Wir sind uns aktuell allerdings nicht sicher, ob wir die besten Songs für die Single-Releases ausgewählt haben. Aber was die besten Songs des Albums sind, sieht ja auch jeder anders. Ich habe jeden Tag einen anderen Lieblingssong. „Es ist echt“ war zunächst kein so großer Favorit im Studio, es hat mich dann am Ende aber total überrascht, was Eike im Endmix aus diesem Song gemacht hat. Wiederum hat es mich überzeugt, dass uns die ruhigen Songs genauso gutstehen wie die harten Nummern.

VRR: Wenn man euch aktuell beobachtet, merkt man: Werbetechnisch nehmt ihr richtig Fahrt auf. Was erhofft ihr euch von der neuen Platte? Kommerziellen Erfolg? Ein Statement in der Musiklandschaft? Oder habt ihr ganz eigene Erwartungen an UNBERECHENBAR?

Liza: Natürlich würden wir uns darüber freuen, wenn sich mit dem Album ein gewisser Erfolg einstellt und die Musik, die wir selbst lieben, gut ankommt, ohne dass wir uns verbiegen müssen. Das haben jedoch nicht wir in der Hand, sondern zum einen die Menschen da draußen, die hoffentlich zahlreich unsere Platten kaufen, zum anderen auch manche Big Player im Musikbusiness, die erstmal Follower zählen, statt sich mit der Qualität unserer Musik zu beschäftigen. Eine Band wird heutzutage nicht mehr aufgebaut, das muss sie selbst tun. Nicht umsonst sind wir in den sozialen Medien so dahinter, gute Werbung für uns zu machen, damit am Ende des Tages keiner mehr an uns vorbeikommt. Wir wollen mit unseren neuen Songs möglichst viele Livekonzerte spielen, und sind dankbar für jeden guten Slot. In der aktuellen Zeit ist es ja schwierig, überhaupt an genügend und gute Konzerte zu kommen. Das nächste Ziel wäre für uns, eine große Tour supporten zu können, damit wir uns dadurch viele neue Fans erspielen und irgendwann vielleicht mal selbst die großen Clubs füllen können.

 

VRR: Welche Herausforderungen oder Pannen gab es bei der Produktion des Albums? Und wie seid ihr mit Rückschlägen umgegangen?

Liza: Ein absoluter Schock ereilte uns letztes Jahr vor Weihnachten, als sich unser Bassist Mark den Finger gebrochen hatte. Aufgrund eines OP-Pfusches musste der Finger zweimal operiert werden. Die Nachricht, dass ein Versteifungsrisiko besteht, war nicht gerade aufbauend für uns alle. Glücklicherweise war unser Produzent Eike aber so verständnisvoll, dass wir das Bass-Recording um ein paar Monate verschieben konnten. Am Ende ist dann alles gut verheilt, sodass Mark problemlos einspielen konnte. Ansonsten war natürlich die Situation völlig neu für uns, mit zwei Produzenten zu arbeiten. Aber auch dieser (positiven) Herausforderung haben wir uns gerne gestellt. Ich kann sagen, dass wir durch die konstruktive Zusammenarbeit alle noch einmal sehr viel an unseren Instrumenten und daran, wie man Songs arrangieren kann, dazugelernt haben.

VRR: Eure wilde musikalische Reise scheint tief in eurer DNA verankert zu sein. Würdet ihr sagen, das ist unveränderlich? Oder hat euer Produzent beim neuen Album doch einen spürbaren Einfluss auf den finalen Sound gehabt?

Liza: Wie schon erwähnt, liegt es an unserem breit gefächerten Musikgeschmack in der Band, der vor allem für mich als Songwriterin prägend ist. Ich habe alle Texte und Kompositionen für das Album geschrieben, die wir dann gemeinsam mit unseren Produzenten Eike Freese (Chameleon Studios Hamburg) und Alexander Dietz (Heaven Shall Burn, The Dude Ranch Rannstedt) ausgewählt und ausgearbeitet haben. Beide zeigen sich auch für die vergangenen Kärbholz-Produktionen verantwortlich und sind ein absolut eingespieltes Team. Eike und Alex haben unseren Sound auf ein neues Level gebracht. Selbst sieht man oft den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr und wird völlig betriebsblind. Ein objektiver Blick von außen ist immer gut, z. B. welches Arrangement dem Song, weil wir ja ein Trio sind, noch guttut oder wo wir spieltechnische Defizite haben, die wir selbst bisher nicht bemerkt haben. Was wir an den beiden extrem schätzen, ist, dass ihre Intention darin besteht, immer mit den Ressourcen der Band zu arbeiten und den individuellen Sound nicht zu verändern, sondern ihn zu optimieren. Ohne jetzt Namen zu nennen: Ich kenne viele deutschsprachige Bands, wo man einfach hört, dass sie im selben Studio waren. Zu glattgebügelt und ohne Wiedererkennungswert klingt es nach dem jeweiligen Produzenten und nicht nach Band. Für mich ist UNBERECHENBAR die beste Produktion, die wir je hatten.

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VRR: In welchen Momenten seid ihr beim Songwriting am kreativsten? Manche Bands schreiben unter Druck ein komplettes Album in wenigen Wochen, andere feilen monatelang, manchmal jahrelang an Texten und Arrangements, bis alles sitzt. Wie läuft das bei euch ab?

Liza: Ich stehe immer völlig unter Strom und habe so viele angefangene Songideen, dass es locker für zwei Platten oder eine zweite Band reichen würde. Es ist immer tagesformabhängig, wie produktiv ich bin. Schlechte Laune und Schlafmangel sind bei mir förderlich. Manchmal wache ich mit einer Idee und Melodie im Kopf auf, manchmal sind es die Jungs, die mir Stichworte oder Ideen für Songtitel nennen. Übrigens hat mich dieser eine Typ von Vollgas Richtung Rock zum Songtitel „Charmant und arrogant“ inspiriert, aber das ist noch Zukunftsmusik. Sehr oft ergeben sich auch spontan coole Riffs, wenn ich im Proberaum mit Bons vor mich hin spiele. Der entscheidende Vorteil ist, dass ich mit unserem Schlagzeuger zusammen bin und wir zusammenwohnen. Der Proberaum ist direkt neben unserem Wohnhaus. Ich nehme dann alles, was ich gut finde, mit dem Handy, später mit der DAW auf und dann wird zu dritt sortiert und zu den besten Songs der Bass und das Schlagzeug arrangiert. Die Ausarbeitung der Songideen zum Album UNBERECHENBAR war ein monatelanger, intensiver Prozess, den wir im Frühjahr 2024 in Zusammenarbeit mit Eike und Alex starteten.

VRR: Wie wichtig sind euch politische Statements in eurer Musik? Und wie seht ihr die Notwendigkeit (oder auch Nicht-Notwendigkeit), sich in der heutigen Musiklandschaft politisch zu positionieren?

Liza: Ich würde die textlichen Inhalte unserer Songs nicht als politische Statements, sondern eher als Sozial- oder Gesellschaftskritik bezeichnen, die wir gerne in subtilen Botschaften verpacken. Das lässt Interpretationsspielraum und soll die Hörer dazu bringen, selbst zu überlegen, ganz ohne erhobenen Zeigefinger. Denn genau das ist etwas, das uns gewaltig stinkt: Menschen aus diversen linken Szenebubbles, die gern den Moralapostel raushängen lassen. Deutschrock ist gleich Rechts. Was für ein Bullshit. Vorurteile und ungerechtfertigter Hass werden gegenüber Leuten und Bands generiert, die sie noch nie in ihrem Leben gesehen haben. Geschichten werden aufgekocht, die 20 Jahre alt sind. Dieses Erhabene, dass man ja selbst immer eine weiße Weste hatte, strotzt nur so vor Selbstherrlichkeit und Arroganz. Wir haben übrigens selbst den kompletten Support eines größeren deutschsprachigen Punkrock-Musikmagazins verloren, weil wir mit den lieben Jungs von Kärbholz und Unantastbar gespielt haben. Und letzteres würden wir wieder tun, weil wir Dorks tolerante und weltoffene Menschen sind, die jede Form von Hass, Hetze, Rassismus und Diskriminierung ablehnen und selbst entscheiden können, wer unser Freund oder Feind ist. Wir brauchen dafür auch keine politische Schublade, sondern einfach nur den gesunden Menschenverstand. Und der ist so einigen in der deutschen Musiklandschaft abhandengekommen.

VRR: Wenn ihr UNBERECHENBAR mit nur einem Wort beschreiben müsstet – welches wäre das?

Liza: Unverwechselbar

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VRR: Was war euer bisher schönster oder absurdester Moment auf Tour?

Liza: Da gab es einige, aber dieses Jahr beim „Wir leben laut“ war es klasse, weil wir so tolles Publikumsfeedback erhalten haben. Ganz frech hatten wir schon einige neue Songs von UNBERECHENBAR in die Setlist gemogelt. Sehr schräg, aber auch unvergesslich, war unser erstes Konzert in dieser Besetzung während des Lockdowns 2020. Der Raum war auf 20 Plätze bestuhlt. Wir haben das Set dann zweimal gespielt, damit zwischendurch gelüftet und die Konzertbesucher ausgetauscht werden konnten.

VRR: Und zum Schluss: Wenn die DORKS ein Getränk wären – was wärt ihr und warum?

Liza: Kaffee, so schwarz wie unsere Seelen.

 

Redaktionell verantwortlich für diesen Artikel:

Marco_Geieler-Typ_2-150x150 Interview mit DIE DORKS – UNBERECHENBAR

Fotograf | Redaktion | Administration | Inhaber
Mitglied im Bundesverband deutscher Pressefotografen (bdp)

Gründete 2017 das Magazin und begann eine ganz neue, "musikalische" Reise durch die rauen Landschaften von Musik, Veranstaltungen und Print- und Online-Medien.