Deutschrock: Auf den Spuren von Goethe und Schiller

Da ich mich in meinem Studium mit Literatur beschäftige, sind für mich Songtexte nicht einfach nur eine nette Zugabe zum Sound, sondern spielen eine wichtige Rolle. Natürlich weiß ich auch, dass es Songs gibt, die keinen herausfordernden Text brauchen, weil sie einfach nur darauf abzielen, die Leute zum Springen und Pogen zu animieren. Trotzdem bin ich immer wieder erfreut, wenn ich feststelle, dass es auch innerhalb der Szene Musiker gibt, die sviel Mühe und Hingabe in ihre Texte investieren, dass man fast meinen könnte, sie wollten sich mit Größen wie Goethe, Schiller oder Brecht messen. Ich habe euch hier mal meine Glanzlichter der deutschen Rockmusik aufgelistet, mit denen ihr vielleicht eure Eltern und Lehrer davon überzeugen könnt, dass deutscher Rock pädagogisch wertvoll ist. Oder ihr beeindruckt damit das hübsche Mädel aus der Bibliothek. 

Philipp plant passende Passagen 

Frei.Wild sind die unangefochtenen Könige der Alliterationen, sie reihen also immer wieder Worte mit den gleichen Anfangsbuchstaben aneinander.  Bei manchen Songs wie „Rivalen und Rebellen“ oder Feinde deiner Feinde“ wird das schon im Titel praktiziert. Man könnte den Eindruck bekommen, dass es sich hierbei um das liebste Stilmittel von Philipp Burger handelt. Tatsächlich ist es aber auch ein cleverer Schachzug, denn Alliterationen graben sich direkt ins Hirn der Hörer, bleiben da und helfen, in Zukunft mitsingen zu können. 

Glut, Flammen und Asche 

Man würde es von einer Punkband nicht unbedingt erwarten, aber Betontod gehören definitiv zu meinen Favoriten in Sachen lyrische Texte. Schon der Aufbau ihrer Songs ist dem von Gedichten sehr ähnlich. Sie benutzen beispielsweise gerne Leitmotive, das heißt dass sich eine Grundthematik durch den ganzen Text zieht und alle verwendeten Bilder, also Metaphern darauf aufbauen, wie zum Beispiel bei „Welt in Flammen“, wo „Flammen“, „schwarzer Rauch“ und „verbrannte Erde“ den Tod symbolisieren. Genauso viele schöne Feuermotive findet man übrigens auch bei „Spiel mit dem Feuer“ von Saltatio Mortis, das von Betontod erfolgreich gecovert wurde.  

Hör dir das an!  

Der Imperativ ist in erster Linie die grammatikalische Form für Befehle, wird aber auch sehr gerne als Stilmittel eingesetzt. Ein gutes Beispiel sind Chaos Messerschmitt, die den Imperativ unter anderem auch in „Wir ziehn durch die Nacht“ verwenden. Sätze wie „Heb doch deinen Arsch“ und „Halt deinen Mund, hör auf zu heulen“ erzielen durch den Imperativ die Wirkung, dass sich das Publikum direkt angesprochen fühlt und jeder das Gefühl bekommt, dass nur er alleine gemeint ist. 

4 Worte reichen fast für ein Lied  

Auch Böhse Onkelz benutzen lyrische Stilmittel. Sie schaffen es sogar, mit einem davon ein ganzes Lied zu füllen, nämlich bei „Wenn du wirklich willst“. Hier kommt die Anapher in allen Strophen zum Einsatz. Was das ist? Eigentlich ein ganz simpler Trick, bei dem man am Satzanfang immer die gleichen Worte wiederholt. Im genannten Song erstreckt sich das auf alle Strophen, wodurch die Bedeutung dieser 4 Worte noch einmal unterstrichen wird. Außerdem ermöglicht auch dieses Stilmittel, dass man sich einen Text besser merken kann und liefert so die Mitsinggarantie. 

Was Hänschen lernt, kommt der Band zugute 

Einen besonderen Leckerbissen für Lyrikliebhaber bieten die Jungs von Montreal in ihrem Song „Was wir haben“. Auf Grundlage der Intertextualität greifen sie auf Textelemente zurück, die dem Hörer bereits bekannt sind. Das alleine wäre allerdings noch nichts Besonderes, denn das machen viele Bands, wie zum Beispiel Saltatio Mortis, wenn sie über „Prometheus“ singen. Montreal holen in ihrem Song den Hörer mit geläufigen Sprichwörtern ab – um ihn anschließend komplett zu verwirren, in dem sie das Gegenteil von dem bringen, was eigentlich erwartet wurde. Es beginnt mit „Wir reden gerne um den Brei, auch wenn er kalt ist“ und von da an bekommt man eine Fülle von bunt durcheinandergeworfenen Sprichwörtern, um die Ohren gehauen. 

Fazit: 

Auch deutsche Rockbands können Lyrik verfassen. In den von mir aufgeführten Fällen ist das eindeutig zu erkennen, aber es gibt natürlich noch viele andere Beispiele. Einige Bands, wie Frei.Wild haben sogar ihre Lieblingsstilmittel, die immer wieder verwendet werden. Achtet einfach mal darauf, dann fallen sie euch auch auf! Aber ich muss euch warnen: Wenn man erst mal damit angefangen hat, hört man die Texte anders und es führt manchmal zu schallendem Gelächter, wenn man sich mit Freunden bei einem Bier das neue Album der Lieblingsband anhört und laut ausruft: „Oh, schon wieder eine Alliteration!“. 

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Über mich:
Ich, 37 Jahre alt, bin wie die meisten hier mit der Musik von „Die Toten Hosen“ und „Die Ärzte“ groß geworden. Mein erstes Rock-Konzert (von Unantastbar) besuchte ich dann aber trotzdem erst vor zwei Jahren. Da mich bei diesem Konzert das Fieber gepackt hat, trifft man mich seitdem immer wieder auf Konzerten an – ich hab ja so viel nachzuholen! Das ist mein Ausgleich zu meinem Alltag mit Studium (auch spät angefangen) und Seniorenbetreuung. Mein Motto: Besser spät, als nie!