Mein Freund ist Sauerländer Open Air 2021
Das Sauerland ist vor allem für zwei Dinge bekannt: Brauereien und Luft, die nach Kuhfladen stinkt. Dass neben Weidetieren aber auch einige Fans deutschsprachiger Rockmusik zwischen den sattgrünen Wäldern wohnhaft sind, sollte sich am vergangenen Samstag herausstellen. Die Briloner Rockband Rustikarl veranstaltete das Mein Freund ist Sauerländer Open Air. Über ein Musikfest zwischen Regenschauern, Rock´n´Roll und Anzeichen von Alkoholismus.
Ein nasser Abend?
Die Vorzeichen standen denkbar schlecht. Die Wettervorhersage verkündete, dass für den Abend ein nasser Hintern eingeplant werden konnte. Auch zum Zeitpunkt der Abreise in das 40 Minuten entfernte Örtchen Brilon kamen die Scheibenwischer an ihre Grenzen. Endlich angekommen, und vorsichtshalber mit einem überdimensionalen Angelschirm bewaffnet, beruhigte sich das Wetter endlich. Per Shuttlebus ging es vom Parkplatz zum nahegelegenen Festivalgelände. Schon aus der Ferne waren Gitarren und die Stimme des One Tape-Sängers Mathis zu hören. Die Band eröffnete pünktlich um 18:00 Uhr vor den ca. 400 angereisten Rockfans. Viel Bewegung war zu diesem Zeitpunkt vor der Bühne noch nicht zu vernehmen. Das lag allerdings nicht daran, dass das musizierende Quartett sich nicht alle Mühe gab, sondern daran, dass sich die Gäste an das bestehende Coronakonzept halten mussten. Tickets waren personalisiert, alle Besucher mussten entweder getestet, geimpft oder genesen sein. Feinsäuberlich getrennt, stand jede Zuschauergruppe bedächtig an ihrer eigenen Bierzeltgarnitur.
Grundsolide Performance
One Tape arbeiteten sich daran ab, diese Sittlichkeit zu brechen und den Anwesenden eine gebührende Rockshow zu liefern. Mit Songs ihres jüngsten Albums GOLDFISCHGLAS versuchten sie das nässegeplagte Publikum zu begeistern. Gar nicht so einfach, schließlich hatten die ebenfalls aus Brilon stammenden Jungmusiker einen Ausfall zu beklagen. Bassist Hannes sonnte sich im entfernten Frankreich, während im Sauerland mal wieder ein paar Tropfen aus der Wolkendecke brachen. Seine Aushilfe Felix und auch der Rest der Band trotzen den widrigen Bedingungen und lieferten dennoch eine grundsolide Bühnenshow ohne Patzer. Bemerkenswert, vor allem in Anbetracht des durchschnittlichen Alters der Bandmitglieder. Während andere 20-Jährige sich noch Brote von Mutti schmieren lassen, sind die Musiker bereits ein eingespieltes Team. Nach einem Kraftklub-Cover schlossen die Vier schließlich ihr Set mit dem Titel „Goldfischglas“ und verschwanden von der Bühne. Vermutlich an die Theke.
Ernte 23 als Stimmenbasis?
Ihre Nachfolge trat die Band Focus aus Dresden an. Auch die gehörten noch nicht zu den alten Hasen des Musikgeschäfts. Erst im März dieses Jahres veröffentlichten die ostdeutschen Musiker ihr Debütalbum STADT OHNE LIEBE. Der gleichnamige Song war es, mit dem die Band ihr Konzert eröffnete. Naja, zumindest versuchte… Anfängliche Technikschwierigkeiten verzögerten den eigentlichen Start und hinterließen das Publikum auf heißen Kohlen. Nachdem alle Mikrofone noch einmal auf ihre Einsatzfähigkeit überprüft waren, konnte es aber endlich losgehen. Durch die Soundanlage röhrte fortan die Stimme des Sängers Eric Zieger, die sich zwar nach einer Tagesdosis von zwei Schachteln Ernte 23 und einer Flasche Whiskey anhörte, trotzdem aber den Geschmack des anwesenden Rockvolks traf. Es wurde nun rockiger und auch trockener. Der Angelschirm blieb zwar aufgestellt, diente auch nur noch dekorativen Zwecken.
Vor der Bühne war keine einzige verstimmte Miene zu erkennen. In der Luft lag die Feierlaune der Sauerländer Landbewohner. Auch auf der Bühne hatte man sichtlich Spaß. Ein Witzchen hier, ein lässiger Spruch da und immer die richtigen Töne im Blick: die Jungs aus Dresden waren mit ordentlich Spielspaß angereist. Mein Highlight: ein Rockcover des Peter Schilling Klassikers „Terra Titanic“.
Herzhafter Ska-Punk
Nach Focus folgte der musikalische Umschwung. Riesige Mengen an rotem Pyronebel hüllten die Bühne in Rauch und ließen erst nach einiger Zeit die neue Bühnenbesetzung erkennen. Ab jetzt mit von der Partie: Trompete und Saxofon. Kein Wunder, schließlich wartete mit 100 Kilo Herz nun eine Ska-Band darauf, das Publikum zu beglücken. Das war in der Zwischenzeit in eifrige Bierlaune übergegangen und ließ ab jetzt von Zeit zu Zeit die letzten Stimmungshüllen fallen. Während die Trompetensounds aus den Boxen peitschten, war eigentlich der Zeitpunkt für Circle Pits und Pogo gekommen. Dank Corona Fehlanzeige. Um die Lust auf Party dennoch zum Ausdruck zu bringen, baute der Großteil des Publikums seine Bierzeltgarnitur zum Stehtisch um. Wenn 100 Kilo Herz nicht gerade musizierten, gab es für die Anwesenden politische Statements und Erzählungen. Ebenso enthusiastisch wirkten sie glücklicherweise auch an ihren Instrumenten. Schnelle Rhythmen, Gute Laune-Ska und zur Freude aller Hobbypyromanen gab es während des Sets sogar ein paar Bengalfackeln zu bewundern.
Prost!
Während es im Sauerland schon dämmerte, traten pünktlich um zehn Uhr endlich die Lokalmatadore von Rustikarl auf die Bildfläche. Als Opener des Sets diente passenderweise „Die Ruhe vor dem Sturm“. Der zog zwar glücklicherweise nicht am Himmel auf, erweckte aber die Tanzwütigen vor der Bühne. Dank des Königs Alkohol entfernte sich das Publikum langsam, aber sicher ein wenig von den festen Tischplätzen und die Stimmung wurde immer ausgelassener. Wer sich das Treiben von hinten anschaute, wurde an die Zeit vor Corona erinnert. Ein wenig Nostalgie. Einen guten Eindruck machten auch die Briloner, deren neuer Bassist Luis Müthing seine Bühnenpremiere mit Rustikarl feierte. Zuweilen entstand der Eindruck, als hätten Teile der Band zu tief ins Glas geschaut. Sänger Christian Ester lief spruchtechnisch in Hochform auf. So viel Lust an der Livemusik brachte auch als Zuschauer ordentlich Hörvergnügen. Der Song “Noch nicht nach Hause” drückte in perfekter Weise den Gemütszustand der Anwesenden aus und wurde sogar von Wunderkerzen begleitet. Für das Cover von „Skandal im Sperrbezirk“ versammelten sich zusätzlich zu den Brilonern noch einmal die Mitglieder der anderen Bands auf der Bühne. Besonders textsicher schien jedoch niemand mehr zu sein, woran das wohl lag?
Stimmungsvoller Abend
„Mein Freund ist Sauerländer“ war nicht nur der Name des Festivals, sondern auch der letzte Song des Abends. Der Titel bildete das Ende eines leicht verregneten, aber durchaus stimmungsvollen Abend. In Zeiten, in denen das Virus und die damit verbundenen Maßnahmen dem gemeinen Rockvolk immer noch auf die Nerven gehen, sicherlich eine gelungene Abwechslung.
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Redaktionell verantwortlich für diesen Artikel:
Über mich: Geboren im Jahrgang 2000 bin ich mit 17 Jahren der Jüngste im Team. Für Rockmusik schlägt mein Herz schon seit dem Kindesalter. Angefangen hat damals alles mit den Toten Hosen. Obwohl als Schüler immer knapp bei Kasse, besuche auch ich das ein oder andere Konzert. Außerdem spiele ich leidenschaftlich gerne Schlagzeug. Motto: Es gibt nur ein Gas, Vollgas!