Lord Of The Lost – Interview Thornstar-Tour Frankfurt
Lord Of The Lost sind mit ihrem aktuellen Album Thornstar auf Tour. Wir trafen π und Chris beim Auftakt in Frankfurt zum Interview. Warum Chris mit einem Neoprenanzug duschte, wann Fannähe grenzüberschreitend ist, ob es rockstartypisch Koks und Nutten im Backstage gibt und was das alles mit einer Schale grünen Smarties zu tun hat, lest ihr hier:
VRR: Thornstar ist ein Konzeptalbum. Wie kamt ihr auf die Idee euch musikalisch mit einer untergegangen Hochkultur zu beschäftigen?
π: Wir haben zu unterschiedlichen Zeiten diese untergegangene Hochkultur für uns entdeckt. Bei Chris war es zum ersten mal beim Urlaub auf Malta. Bei mir war es durch meine Schwester, die damals unheimlich viel Age of Empires gespielt hat und mir davon erzählte. So kamen wir alle mehr oder weniger getrennt voneinander mit dem Thema in Berührung, noch bevor Chris damit an uns heran getreten ist. Es gibt einfach so viele unterschiedliche Aspekte und Charaktere in dieser Kultur, die sich musikalisch gut verarbeiten ließen.
VRR: Ihr veröffentlicht jedes Jahr ein Album. Woher nehmt ihr den kreativen Input dazu?
π: Bei den Swan Songs wurde im Prinzip nur altes Material neu arrangiert und umgeschrieben. Wenn man aber generell fragt wo wir unsere Inspiration hernehmen, kann das wirklich alles sein. Egal ob eine vergessene Hochkultur, Gespräche mit Menschen oder untereinander, politische oder religiöse Aspekte, das ist ganz verschieden.
Neoprenanzüge unter der Dusche
VRR: War das Musikvideo zu Black Halo durch die Umstände mit Ebbe und Flut eine besondere Herausforderung? Erzählt doch mal von den Dreharbeiten.
π: (lacht) Ja war es! Wie alle wissen, haben die Gezeiten eine gewisse zeitliche Begrenzung und wenn man das Wattenmeer nutzt, muss man sich danach richten. Es hieß dann morgens um vier aufstehen und das Drumset aufbauen, drehen und abends wieder abbauen. Das ging drei Tage lang so.
Chris: Das Schlimmste für mich war die Kälte. Es war August und um die 15 Grad kalt. Nach dem Aufstehen musste man erstmal in den Neoprenanzug rein und dann die Klamotten drüber ziehen. Da der Neoprenanzug sowieso nass sein muss, damit man ihn anziehen kann, hab ich mich unter der heißen Dusche angezogen. So bin ich zwar nass, aber zumindest warm ins Auto gestiegen. In den Autos war alles mit Müllsäcken ausgelegt und dann sind wir durch das Watt zu der kleinen Insel gelaufen, die nur rauskommt, wenn gerade Ebbe ist.
Hier geht es zum Video:
VRR: Wie viele haben eine Erkältung mitgenommen?
Chris: Keiner! Die Neoprenanzüge haben sehr geholfen.
π: Es hat auch zum Glück nicht einmal geregnet, bis auf den letzten Tag. Da wir an dem Tag mit Wasser rumgespritzt haben, war das aber auch egal. Allerdings war es dadurch nochmal deutlich kälter und man hat gemerkt, wie wichtig die Neoprenanzüge waren.
Lord Of The Lost international
VRR: Habt ihr am Anfang der Bandgeschichte damit gerechnet auch international so erfolgreich zu sein?
Chris: Ich hab am Anfang mit überhaupt nichts gerechnet. Es war eigentlich ein Hobby, da ich schon andere Bands hatte. Ich hab einfach Musik gemacht, die ich gerne gehört hätte und die es so aber noch nicht gab. Reine musikalische Selbstbefriedigung, wenn man es so nimmt. Durch Zufall habe ich es dem Chef der Plattenfirma meines damaligen Elektroprojekts gezeigt. Ihm gefiel es ziemlich gut und er sagte, ich bräuchte nur noch eine Band. Ab da ging alles ganz schnell und es entwickelten sich natürlich auch Ziele. Ich rechne aber nach wie vor mit nichts. Ich werde oft gefragt, ob das jetzt der große Erfolg ist. Man kann nicht sagen, erst ab 5000 Leuten und ausverkauften Sporthallen in jeder Stadt ist man erfolgreich. So wird man nie genießen, was man macht. Deshalb messe ich den Erfolg nicht daran. Für mich ist Erfolg, wenn ich glücklich mit der Musik bin, die wir machen.
VRR: Glaubst du, eure Musik käme auch so gut an, wenn du auf Deutsch singen würdest?
Chris: Wahrscheinlich sogar noch besser! Ich schreibe Musik aus einem Gefühl heraus und dabei geht es bei Lord Of The Lost. Das was aus mir heraus kommt, was ich als Ventil brauche, war schon auf Englisch, noch bevor ich richtig Englisch konnte. Mit 12 – 13 habe ich fast nur englische Bands gehört, Kiss, Roxette, Aerosmith und so weiter. Wenn ich dann Musik für mich gemacht habe, musste es Englisch sein, auch wenn es nicht meine Muttersprache ist. Ich glaube wir wären auf Deutsch zumindest in Deutschland erfolgreicher, aber es ist einfach nicht mein Ding.
Über Familie und Freundschaft
VRR: Stand eure Familie bei euren Projekten hinter euch? Wie war das zu Beginn und hat sich daran etwas geändert?
Chris: Meine immer!
π: Ab dem Zeitpunkt, an dem ich sagte, dass ich in einer Band spiele, gab es schon eine Unsicherheit ob die Jungs alle so in Ordnung wären. Inzwischen sind unsere Familien unsere größten Fans.
Chris: Meine Eltern kommen nach wie vor zu jedem Konzert, was in der Nähe ist und mein Vater wird 82 dieses Jahr. Das ist schon echt alt.
VRR: Ihr seid viel gemeinsam auf Tour. Was macht das mit eurer Freundschaft?
Chris: Es ist tatsächlich so, dass ich bis auf wenige Ausnahmen außerhalb der Band, der Crew und den Leuten im Studio gar keine Freunde habe. Es bleibt dafür einfach keine Zeit. Die restliche Zeit, die ich habe, verbringe ich mit meiner Familie.
π: Man kann auch nur eine gewisse Anzahl an Freunden haben, um allen gerecht zu werden.
Chris: Die Leute denen ich vertraue, über die ich viel weiß und die viel über mich wissen, sind meine Jungs aus der Band.
VRR: Gab es mal den Fall, dass ihr super zufrieden mit einer Arbeit wart und das Publikum das überhaupt nicht so gesehen hat?
Chris: Es gibt immer Leute, die meckern. Macht man einen harten Song, sagen manche juhu und die nächsten sagen, er sei zu hart. Oder wenn ich schreie, sagen die einen oh geil du schreist und die nächsten oh nein du schreist. Aber so einen allgemeinen Gegenwind haben wir noch nicht erlebt. Allerdings ist das auch wie ein großer Filter. Die meisten melden sich nur, wenn sie etwas toll finden. Es gibt wenige, die sich aktiv melden und sagen, sie fänden etwas scheiße. Wir wissen gar nicht, wie viele Fans wir vielleicht enttäuscht haben, die uns nicht mehr hören, weil wir was gemacht haben, was ihnen nicht gefiel. Es gibt Leute, die sind immer dabei und es gibt welche in der ersten Reihe, die sich über die Jahre komplett tauschen. Die sind dann für 2-3 Jahre dabei und danach sieht man sie bei einer anderen Band. Aber einen allgemeinen Misserfolg hatten wir nie.
Grenzüberschreitende Fannähe
VRR: Was haltet ihr generell von Social Media? Fluch oder ein Segen?
Chris: Das ist die einzige Plattform, die wir haben, um direkt Leute anzusprechen. Es ist die Basis unserer gesamten Promotionarbeit. Man könnte natürlich ein Poster aufhängen, aber das hätte einen ganz anderen Effekt. Auf Facebook sehen es direkt Leute, die es interessiert. Insofern ist es ein Segen. Ein Fluch ist es, da wir damit eine Nähe zu allen Fans aufbauen, der wir nicht gerecht werden können. Viele sind dann enttäuscht, wenn man beim persönlichen Kontakt distanziert ist, da man die Menschen vor sich gar nicht kennt. Oder ich möchte auch nicht, dass mein Arsch bei der Autogrammstunde angefasst wird, weil ich nicht weiß, wer die Leute überhaupt sind. Es gibt welche die schnell beleidigt sind, weil mein Poster seit 5 Jahren über deren Bett hängt und sie mich täglich auf Facebook sehen. Dennoch sehe ich diese Person zum ersten mal! Deshalb ist Social Media auch in gewisser Weise ein Fluch.
π: Was den Umstand auch noch unterstützt, ist unser Tourtagebuch, wo wir so ziemlich alles von uns preisgeben. Für uns ist das eine super Sache, weil wir schöne Momente immer wieder erleben können.
Chris: Im Prinzip kann man es eine semipermiable Membran nennen. Es geht nur in eine Richtung und in die andere kommt nichts zurück. Das ist vor allem bei einem jungen Publikum gefährlich und hat ganz krasse Schattenseiten. Auf Facebook oder der russischen Variante davon werden Fakeprofile von mir erstellt und damit jungen Mädchen Versprechungen gemacht. Da trifft man dann irgendwo auf Tour ein Mädchen, das behauptet, man habe ihr gesagt, dass man sie liebt. In Wirklichkeit habe ich sie noch nie gesehen. Ein Freund, der in einer anderen Band unseres Genres spielt, hat mir mal erzählt, dass sich ein Mädchen sogar umgebracht hat, als sie festgestellt hat, dass sie nicht mit ihm, sondern einem Fakeprofil geschrieben hat.
Fortschrittlich und vorausschauend
VRR: Ihr seid quasi alte Hasen im Showgeschäft. Wenn ihr Newcomerbands einen Tipp geben könntet, den ihr beim Start eurer Karriere gerne bekommen hättet, welcher wäre das?
π: Nicht zulassen, dass man sich auf etwas ausruht. Wenn man zum Beispiel ein erstes Album veröffentlicht hat, egal ob vom Label finanziert oder selbstgemacht, sollte man nicht abwarten was passiert. Stattdessen einen Schritt weiter denken und überlegen, was danach kommen kann. Es muss von einem selbst kommen. Also hartnäckig sein und nicht faul! Das ist sehr kräftezehrend, aber man sollte nicht aufgeben, bis sich zumindest erste kleine Erfolge einstellen.
VRR: Ihr wollt auf fair und ökologisch produzierten Merch umsteigen. Was war der Anstoß dazu?
π: Chris gab letztendlich den Anstoß, da bereits andere Bands auf fair und ökologisch produzierten Merch umgestiegen sind. Das ist ganz klar fortschrittlicher, obwohl es für uns und die Konsumenten teurer wird. Uns ist wichtig mit der Zeit zu gehen.
Chris: Es ist logisch mit dem Trend zu gehen. Man kann nicht ständig weltrettende Posts bei Facebook von sich geben und selbst Shirts für paar Euro fünfzig einkaufen, die vierjährige indische Kinder zusammen genäht haben. Also geben wir für den Rohling mehr aus und der Druck ist teurer, wegen des CO2-neutralen Verfahrens. Wer das nicht versteht, tut mir leid. Wenn man mal überlegt, wie viel Geld man für Klamotten ausgibt – Markenshirts für 65 Euro und Bandshirts für 25 Euro, bei denen man die Leute ganz anders unterstützt. Wir steigen jetzt nach und nach um. Alle Nachbestellungen von alten Shirts werden ebenfalls fairtrade hergestellt. Das bedeutet, dass zum Beispiel Größe L in alt noch 20 Euro kostet und Größe XL, die schon nachbestellt wurde 25 Euro kostet. Außerdem fühlen sich die neuen Shirts besser an, weil sie einen viel weicheren Stoff haben.
VRR: Lebt ihr das auch privat?
π: Ich esse beispielsweise wenig Fleisch und habe sogar eine Zeit lang gar keins gegessen. Bin aber der Meinung, man sollte leben und leben lassen. Wenn jemand nichts essen möchte, was ein Schatten wirft, dann soll er das tun. Beim Thema Kleidung bin ich ehrlich gesagt nicht so nachhaltig, wie ich sein könnte.
10 Jahre Lord Of The Lost
VRR: Was steht bei euch 2019 auf dem Plan? Ihr habt auch 10-jähriges Bandbestehen…
π: Richtig, der Vorverkauf für den 7. und 8. Dezember 2019 ist bereits gestartet. Einmal als Rockshow und einmal als Akustikshow. Das wir der krönende Abschluss des Jahres. Bis dahin sind wir noch auf Tour im Baltikum, Russland, Ukraine und Italien. Dann steht die Festivalsaison an. Es wird auch noch mehr kommen, aber ich werde einen Teufel tun und das alles verraten. So viel sei gesagt, es wäre schade, wenn die Thornstar-Tour schon vorbei wäre. Es ist schon abgefahren, wie weit uns diese Tour bringt. Gerade China macht uns beinahe Angst, weil wir nicht wissen was uns erwartet. Mono Inc hat zwar schon ein bisschen was erzählt, aber das ist ja auch bei jeder Band anders. Man muss im Vorfeld die Texte schicken, die dort übersetzt und geprüft werden. Zum Glück sind wir auch keine wahnsinnig kontroverse Band.
VRR: Wir bedanken uns schon mal für die Zeit und das Interview. Die abschließenden Worte gehören natürlich euch.
Chris: Abschließende Worte hasse ich ähnlich, wie wenn wir uns am Anfang eines Interviews vorstellen sollen. Uns gibt es fast 10 Jahre und dann kommt als erste Frage, wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt? Sowas ist okay bei einer Newcomerband, die ihr erstes Album rausgebracht hat. Abschließende Worte? Vielleicht sowas wie – aus Hackepeter, wird Kacke später. So dann haben wir das. Was machen wir jetzt?
Feiern wie ein Rockstar
VRR: Einen trinken? Oder trinkt ihr vor dem Auftritt nichts?
Chris: Ich trinke generell nicht.
VRR: Okay, du trinkst nicht, π isst kein Fleisch. Seid ihr noch richtige Rockstars?
Chris: Definiere Rockstar!
VRR: Was ist aus Koks und Nutten im Backstage geworden?
π: Du warst ja noch nicht bei uns im Backstage!
Chris: Koks und Nutten sind ganz normal. Jeden Abend 5 Gramm, aber nur vor der Show. Nutten haben wir immer nur eine, sonst ist das zu teuer. Wir nennen sie auch die Dreiersteckdose. (lacht)
VRR: Also bekommt ihr hier alles kredenzt, was ihr bestellt? Klobrille warm geföhnt und was dazu gehört?
Chris: Es gibt tatsächlich einen Catering-Runner, der ist Teil des Deals. Sollte man total übertreiben, wird allerdings irgendwo anders der Deal geschmälert. Wenn man 10 Flaschen 50 Jahre alten Single Malt bestellt, wird das anderweitig abgezogen. Das ist Teil des Vertrages und wenn man zuckerfreie Cola, ein bestimmtes Mineralwasser oder Club Mate bestellt, dann ist das auch da, wenn alles gut läuft. Das ist auch wichtig, denn für uns Menschen sind einige Dinge elementar, damit wir uns wohl fühlen. Ein halbwegs gemütlicher Raum, eine saubere Dusche und vernünftiges Essen. Wenn du jeden Tag wo anders bist, weit weg von deiner Familie, willst du nicht auch noch in einer kalten, ekeligen Dusche duschen müssen. Das sind keine Luxusprobleme, sondern ist wichtig um sich wohl zu fühlen und ein gutes Konzert zu spielen. Zuhause kann man sich aussuchen, was man essen möchte, auf Tour ist man darauf angewiesen, dass sich jemand darum kümmert.
Die Bloodhound Gang und grüne Smarties
VRR: Hattet ihr schon mal richtige Katastrophen?
Chris: Natürlich! Denk dir irgendwas aus. Wir hatten schon alles und auch alles auf einmal. Die Bloodhound Gang hat früher in ihren Catering-Rider geschrieben, dass sie gerne eine Schale mit grünen Smarties hätte. Das klingt erstmal witzig und arrogant, weil jemand die grünen Smarties aussortieren muss, aber das war für sie ein Indikator, ob sie ernst genommen werden. Immer wenn diese Schale mit Smarties im Cateringbereich stand, lief auch der Rest perfekt.
VRR: Bestellt ihr künftig auch eine Schale mit grünen Smarties?
Chris: Natürlich nicht! Als die Bloodhound Gang richtig groß war, konnten die sich so einen Schabernack erlauben. Wenn wir das machen würden, würden die Leute denken, wir seien arrogante Wichser. Das kann man sich erlauben, wenn man dem Veranstalter so viel Geld generiert, dass es finanziell gerechtfertigt ist, einen Praktikanten hinzustellen, der ein paar Stunden lang Smarties sortiert. Also ich hab ja früher immer die M&Ms nach dem Alphabet sortiert – ging auch ganz schnell.
Auch wenn Chris keine abschließenden Worte mag, lassen wir diesen Flachwitz einfach mal als solche gelten. Wir bedanken uns nochmal für das Interview und freuen uns auf die kommenden Projekte.
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