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Interview Ephemeral

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Manchmal sind es die kleinen Momente, die uns die verschiedensten Arten der Musik näherbringen. So auch der Stil der Youngsters von Ephermeral. Nicht ganz so laut aber dennoch eindringlich herzlich.

Wir haben sie zum Interview geladen, um sie euch ein wenig vorzustellen.

VRR: Hallo erst einmal, wir sind das Team von Vollgas Richtung Rock, und würden euch gern etwas näher kennenlernen. Wir haben ein paar Fragen zusammengestellt, in deren Antworten ihr euch uns und unseren Lesern etwas vorstellen und von euch erzählen könnt. Die Fragen aller Fragen! Wer seid ihr, was macht ihr, und wo kommt ihr her?

Ella: Hallo auch von uns, und vielen lieben Dank für die Einladung! Ephemeral ist ein Trio bestehend aus mir, Ella Zlotos (Flöten, Gesang, Harmonium, Harfe), Nikolaus Jira (Gitarren, Gesang, diverse Tasteninstrumente) und Patrick Maiwald (Perkussion, Schlagzeug, Gesang und gesprochene Texte). Wir haben uns 2019 im unterfränkischen Würzburg zusammengefunden, und leben derzeit auch alle dort – Nik ist allerdings der einzige gebürtige Franke von uns Dreien.

Alles begann damit, dass ich Anfang 2019 auf der Suche nach einem Studio für die Aufnahme eines Solo-Songs auf Nik gestoßen bin, der als Musikproduzent in Würzburg arbeitet. Während unserer Zusammenarbeit stellte sich heraus, dass wir eine gemeinsame musikalische und emotionale Sprache sprechen und wir haben begonnen Songs zu schreiben – anfangs noch gar nicht mit dem Hintergedanken, diese jemals live aufzuführen. Das gemeinsame Songwriting hat aber so gut funktioniert, dass uns ziemlich schnell klar war, dass wir damit auch mal auf die Bühne wollen.

Patrick kam dann wenige Monate später zu uns, durch einen glücklichen Zufall: „Wynter“, einer unserer ersten Songs, ist die Vertonung eines englischen Gedichts aus dem 14. Jahrhundert – und mir als Sängerin und Anglistin war die historisch korrekte Aussprache sehr wichtig. Deswegen habe ich meinen ehemaligen Dozenten Patrick kontaktiert, der an der Uni Würzburg Alt- und Mittelenglisch unterrichtet, eine erste Demo-Aufnahme des Songs geschickt und ihn um Aussprache-Feedback gebeten. Patrick war dann von unserer musikalischen Adaption des Gedichts so angetan, dass er sich als Perkussionist und (Background-) Sänger bei uns bewarb – und da wir zu der Zeit im Hinblick auf zukünftige Live-Auftritte tatsächlich auf der Suche nach einem Schlagzeuger bzw. Perkussionisten waren, hat sich die Sache einfach wunderbar gefügt.

Mittlerweile sind wir ein eingespieltes Team, sowohl was das Songwriting als auch unsere Live-Auftritte betrifft – jeder von uns bringt sich kreativ als Komponist und/oder Texter ein, wir spielen alle mehrere Instrumente und singen auch alle. Wir haben auch keine „Frontperson“ im klassischen Sinne, bei Ephemeral sind alle Bandmitglieder gleich (un-)wichtig. Im Mittelpunkt steht einzig unsere Musik, die sich aus einer Vielzahl an Einflüssen, unseren verschiedenen musikalischen Hintergründen geschuldet, und diversen musikalischen und lyrischen Inspirationsquellen speist.

Lyrische Inspirationen und außergewöhnliche Stimmen

VRR: Wie habt ihr zur Musik gefunden, begleitet sie euch schon von Kindertagen an, seit wann musiziert ihr?

Ella: Ich habe schon als Kind gerne gesungen und Flöte gespielt, und mit 16 erste Bühnenerfahrungen als Mitglied einer Folk-Rock-Band gesammelt. Mit Anfang/Mitte 20 habe ich einige Zeit in Irland verbracht, und dort irische und schottische Folk-Musik sowie traditionelle Instrumente wie die Tin und Low Whistle kennengelernt. Mittlerweile blicke ich auf einige Jahre Erfahrung als Live-/Studiomusikerin und Sängerin zurück, mit Schwerpunkten in der keltischen Musik und im Folk Metal.

Nik stammt aus einem musikalischen Elternhaus, mit 6 Jahren erhielt er Klavierunterricht und seit dem 13. Lebensjahr begann er sich für Jazz und Improvisation zu interessieren. Während seines Musikstudiums entwickelte er eine besondere Leidenschaft zum Klang der frühen elektronischen Instrumente (Hammond Orgel, Fender Rhodes, Synthesizer, etc.) und auch zur E-Gitarre, auf der er sich bei Ephemeral austobt. Daneben ist Nik auch als Musikproduzent tätig und betreibt wie gesagt sein eigenes Studio in Würzburg.

Patrick: Ich habe als Teenager Schlagzeug gelernt – meine musikalisch sehr aktiven Eltern haben damals auf mich eher eine paradoxe Wirkung gehabt, so dass ich mich nie wirklich dafür interessiert habe, ein „klassisches” Melodieinstrument zu lernen. Ich beschäftige mich aber sehr viel mit Musik und habe schon immer gerne gesungen.

VRR: Mit welchen Worten würdet ihr euren Musikstil am ehesten beschreiben?

Nik: Wie schon gesagt, ist unser Musikstil von unseren verschiedenen musikalischen Hintergründen und Horizonten inspiriert. Bei uns ist in den Kompositionsphasen erstmal alles erlaubt. Jeder schlägt vor, was ihm so einfällt und dann versuchen wir das gemeinsam zu ordnen und daraus entstehen dann Stücke. Kreativ sein und was wirklich Neues schaffen steht bei uns dadurch im Fokus und deshalb ist es auch schwierig, einen Stil zu definieren. Es ist eben – ohne dass wir das als ausgesprochenes Ziel hatten – ein eigenständiges Genre geworden. Wenn man es unbedingt einordnen muss, dann fühlen wir uns mit dem Genre Dark Folk ganz wohl.

VRR: Ich persönlich habe dich, Nikolaus Jira, auf einem Konzert von Anne Clark kennenlernen dürfen, dort hast du sie am Piano begleitet. Wie war diese Erfahrung, die Borderland Tour von Anne zu begleiten?

Nik: Es war eine sehr schöne Erfahrung für mich, diese Tour zu begleiten. Nicht zuletzt, weil Anne, Violinist Justin Ciuche und der Rest des Teams wahnsinnig tolle Menschen und Musiker sind, mit denen es einfach nicht langweilig oder anstrengend wird. Jedes Konzert war ein spannendes und herausforderndes Erlebnis. Musikalisch, und auch, weil man in einer so kleinen Besetzung viel Verantwortung hat und jeder kleine „Fehler” bemerkt werden kann.

Auf Tour mit Anne Clark

VRR: Welche Erfahrungen nimmst Du von einer solchen Tour mit?

Nik: Auf Tour sein kann sich mit den richtigen Menschen auch wie Urlaub anfühlen.

VRR: Wie kam es zu deinem Support bei Anne Clark?

Nik: Justin und ich kannten uns bereits über Ephemeral. Wir hatten uns zuvor schon bei mir im Studio für Aufnahmen für unser Debutalbum getroffen. Als klar wurde, dass Ulla Van Daelen die Tour nicht spielen wird, habe ich einen Anruf bekommen und zugesagt.

VRR: Eure Musik entspricht nun nicht ganz den populären Alltagssinfonien, was macht euch so besonders?

Patrick: Das ist richtig. Es ist uns tatsächlich z. B. schwergefallen, zum Album-Release ein repräsentatives Stück für ein neues Musikvideo auszuwählen, da viele unserer Stücke entweder schwer verdaulich oder zehnminütig oder sehr eigen und dadurch nicht wirklich repräsentativ sind. Was uns besonders macht, ist schwer in Worte zu fassen. Ich denke, was uns drei Bandmitglieder verbindet, ist, dass wir alle uns von Haus aus gerne mit Musik umgeben, die auf irgendeine Art außergewöhnlich ist. Und dann treffen wir uns irgendwo in der Mitte. Nik z. B. ist sehr im Jazz beheimatet und gut im Improvisieren. Ella spielt vor allem Instrumente mit einer langen Geschichte (wie Tin und Low Whistles, oder auch Harfe) und ist, ähnlich wie ich, an historischen Texten interessiert. Einige meiner eigenen Lieblingskünstler sind für komplexe Konzeptalben bekannt, bei denen die Texte eine große Rolle spielen. Und dann gibt es da noch das verbindende Element der Melancholie. Wir alle mögen eine gewisse Bedeutungsschwere in der Musik, die sich auch bei uns wiederfindet. Wie gesagt, es ist schwer zu beschreiben.

Ein Album der besonderen Art

VRR: Wie lange gibt es euch bereits als feste Band, und auf welche Alben könnt ihr zurückblicken?

Patrick: Uns gibt es als Trio, wie gesagt, seit 2019. Ella und Nik hatten sich bereits im Frühjahr gefunden, ich kam dann ein paar Monate später dazu, und am Ende des Jahres hatten wir dann zwei Videos auf YouTube. Unser erstes Konzert wäre für März 2020 geplant gewesen, als der pandemiebedingte Lockdown kam. Dafür haben wir dann im April 2020 unsere erste EP veröffentlicht, die mittlerweile ausverkauft und nur noch digital auf Bandcamp zu finden ist. Über die nächsten Jahre haben wir ein paar weitere Konzerte gespielt, bei denen wir immer wieder mal von Gastmusikern begleitet wurden. Teilweise gibt es davon auch ganz gute Mitschnitte auf YouTube. Und nebenbei haben wir stetig an unserem Stil und an neuen Stücken gefeilt.

VRR: Apropos Album, ihr habt doch gerade etwas veröffentlicht, Release war vor einigen Tagen. Erzählt uns gern etwas mehr dazu!

PATRICK: Genau, im November 2023 ist nun endlich unser erstes Album INTO BEING erschienen, beim italienischen Label These Hands Melt. Auf dem Album sind auch ein paar der besagten musikalischen Stammgäste zu hören, z.B. Justin Ciuche an der Violine und Jann Michael Engel am Cello. Ein weiterer Gastkünstler auf dem Album ist das britische Multitalent Simon Bibby – ich bin schon ziemlich lange ein Fan von ihm. Momentan macht er mehr Musik als je zuvor. Mit seinem Soloprojekt Thy Listless Heart ist er 2022 in Erscheinung getreten – für viele war das eines der besten und innovativsten Doom-Metal-Alben des Jahres. Ella hat für dieses Album Flöten und Dudelsack eingespielt. Wir freuen uns sehr über diese Zusammenarbeit!

Ella: INTO BEING ist zwar kein klassisches Konzeptalbum, aber dennoch handeln unsere Texte alle mehr oder weniger vom Zyklus der Natur und des Lebens, von Tod und Wiedergeburt, und davon, dass jedes Ende, jedes Loslassen, gleichzeitig auch ein neuer Anfang ist. Es geht um die Sehnsucht nach Licht, aber gleichzeitig auch darum, die Dunkelheit als Beginn allen Lebens zu schätzen. Wir verstehen sie innerhalb des Kreislaufs der Natur nicht als etwas, das durch das Licht „besiegt” werden muss (wie es oft, gerade in der westlichen Kultur, dargestellt wird) – sondern als etwas Ehrwürdiges und Wertvolles, aus dem das Licht neu geboren wird. Die Künstlerin Valerie Savinova, die unser Cover-Artwork sowie alle Illustrationen für das Booklet entworfen hat, hat diesem Gedanken und damit unserem Album auch eine wunderschöne visuelle Dimension verliehen.

Die meisten Texte sind von uns selbst geschrieben, für ein paar der Songs haben wir auch (stellenweise) auf historische Gedichte oder Folklore zurückgegriffen – „The Cruel Sister” zum Beispiel ist eine traditionelle Ballade aus dem Norden Englands bzw. Schottland, die in ihren vielen verschiedenen Varianten seit dem Mittelalter in ganz Europa überliefert wurde. Wer sich dafür interessiert, dem kann ich das entsprechende Kapitel in Francis James Child’s The English and Scottish Popular Ballads sehr empfehlen!

Fazit:

Wir hatten bereits das Vergnügen, in das Album dieser sympathischen Band reinzuschnuppern.

Einmal mehr etwas ganz anderes als der typische Klischee Rock, und einmal mehr die wundervolle Art einer solchen Musik, die im Herzen bleibt. Hört selbst rein, es lohnt sich.

Redaktionell verantwortlich für diesen Artikel:

Ich bin Tati aus dem grünen Herzen Deutschlands. In einer Musikerfamilie aufgewachsen, war es mir schon immer wichtig, die richtigen Töne zu finden. Ob in Wort oder Schrift, ob im Gesang oder in der Poesie. Jedes Genre und ein jeder Stil war mir willkommen. Und genau das hat mich in meiner Jugend geprägt und bis heute begleitet.

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