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Absagewelle trifft die Deutschrock-Szene hart

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„ABGESAGT“ steht in Großbuchstaben auf dem Titelbild einer Facebookveranstaltung. Ein Bild, an das wir uns längst gewöhnt haben. Veranstalter betteln die Fans regelrecht darum an, sich ihre Tickets im Vorverkauf zu sichern, doch immer häufiger werden Konzerte und Festivals zur Nullnummer. Pfeffelbach Open Air, F.O.A., die geplanten Konzerte unserer Kollegen von der Rocklounge oder 100% Deutschrock – allesamt mussten im Voraus die Reißleine ziehen, um am Ende nicht drauflegen zu müssen. Doch woran liegt es? Wir haben bei etablierten Bands und Newcomern nachgeforscht:

KrawallBrüder halten sich zurück

Foto: Jana Nick | En Escena

„Wir haben für 2023 einfach mal einen Gang runtergeschaltet. Ich denke, es sind so viele Nachholtermine, die noch im Raum stehen, plus die ganzen neuen Shows. Jeder möchte jetzt wieder voll durchstarten, gerade die Berufsmusiker, die damit ihren Lebensunterhalt bestreiten (müssen). Da werden die Leute sehr schnell satt sein und den Überblick im Überangebot verlieren. Wir lehnen uns derweil zurück, beobachten das ganze Spektakel und geben 2024 wieder etwas mehr Gas.“

Kärbholz gehen das Thema Tour vorsichtig an

Foto: Andreas Sawitzki

„Viele Touren werden verschoben oder abgesagt. Ehrlicherweise ist das wirtschaftliche Risiko aufgrund von steigenden Kosten erheblich gestiegen. Tourabsagen haben immerhin auch weitaus „größere“ Bands als uns erwischt. Bis auf ein einziges Konzert haben wir in den vergangene Jahren JEDES einzelne Konzert gespielt bzw. nachgeholt. Wenn du dir ein Ticket für eine Kärbholz-Show kaufst, dann kannst du dich darauf verlassen: Das Konzert findet statt! Das ist für uns ein ganz wichtiger Aspekt. Um den erfüllen zu können, haben wir die Anzahl der Konzerte erst mal reduzieren müssen. Absolut pragmatische Gründe, mit der berechtigten Hoffnung, zu unserem Wort stehen zu können. „Kauft ein Ticket. Das Konzert findet statt und wird nicht aus wirtschaftlichen Gründen verschoben oder abgesagt.“  Glaubt uns, das ist emotional schwierig gewesen, aber was nützt es denn, wenn wir die Realität ausblenden und dann auf die Schnauze fallen und alle nur Aufwand und Ärger haben? Das macht keinen Sinn für uns.“  

Todsünde sind gefrustet

Foto: Todsünde

“Es hat wohl viele Gründe, aber es ist eine Katastrophe. Festival- und Konzert-Absagen, es jagt eine Hiobsbotschaft der anderen hinterher. 2021, in dem Jahr, als wir unser erstes Album GEISTESGIFT herausgebracht haben, gab es die Corona-Welle und keiner durfte, bzw. hat sich damals getraut, Konzerte und Festivals zu organisieren. Dennoch konnten wir damals ein paar wenige der heiß begehrten Line Up Plätze ergattern. Wir haben neue Leute kennengelernt, Fans gewonnen und unser Debütalbum hat es sogar mit deutschsprachigem Metal in die Top 100 der deutschen Charts geschafft.

Nun 2 Jahre später, haben wir mit HERZJAGD ein neues fertiges Album im Gepäck, viel Zeit, Herzblut und auch Geld reingesteckt und gerade wirft ein Festival nach dem anderen das Handtuch, bei dem wir gespielt hätten und wir können gerade nicht sagen, wie es mit unserer Festivaltour und Promotion von unserem Album weitergehen soll.
Von 4 Festivals vor dem Album-Release ist aktuell nur noch 1 übrig. Was mit den anderen Festivals nach dem Album-Release passiert, kann wohl auch keiner mit Sicherheit sagen.
Wir können alle Veranstalter 100 % verstehen, die Angst haben, ins Minus zu gehen. Auch wir haben schon Festivals und Konzerte organisiert und kennen das Risiko. Wir als Band unterstützen jedoch jeden Veranstalter, einen gemeinsamen Weg zu gehen, auch wenn es bedeuten würde, dass wir auf unsere Gage verzichten würden oder wir mit der Werbung noch mehr reinhauen sollen. Hier sind wir jederzeit gesprächsbereit und kritikfähig.
Frühe Absagen vom Veranstalter bringen da leider auch nur zum Teil was, denn der Tag und das Booking für den Festivalsommer 2023 sind längst gelaufen. Man hat also nur wenig Chancen, woanders auftreten zu können.
Wenn wir nicht spielen können, bleibt uns fast nur noch Social Media, was in manchen Bereichen auch irgendwie Spaß macht, aber fernab von dem Rock’n’Roll ist, den wir eigentlich haben wollen.”

Konzertgänger am Limit

Das Überangebot an Konzerten macht auch uns zu schaffen. Wenn wir in unseren Kalender schauen und gleichzeitig 2-3 Festivals stattfinden – und das im Wochentakt – streikt selbst unser hartgesottenster Konzertgänger. Zu allem Überfluss liest man auf den Line-Ups wiederholt die gleichen Bands. Warum also noch Tickets kaufen, wenn man die Bands schon bei unzähligen anderen Festivals und Konzerten bereits gesehen hat? So schade die Entwicklung für die Szene aktuell ist, sollten sich einige Veranstalter dennoch vorab überlegen, ob das, was sie planen, tatsächlich einen Mehrwert für Fans darstellt oder sich bereits im Vorfeld als unwirtschaftlich rausstellt. Jede abgesagte Veranstaltung hinterlässt bei potenziellen Ticketkäufern einen faden Beigeschmack und sorgt im schlimmsten Fall für noch zögerlichere Vorverkäufe. Bands verlassen sich auf verbindliche Buchungen von Veranstaltern und verlieren ihre Planungssicherheiten, wenn Veranstalter aufgrund von Fehlkalkulationen kurzfristig absagen.

Redaktionell verantwortlich für diesen Artikel:

"Immer Vollgas und keine Angst vorm Scheitern. Immer Vollgas, immer nach vorne immer weiter..."

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