Vergessen und verstaubt – nicht mit uns! Buchstabe G – Grannysmith – FIRST DROP – VÖ 2004
Bald wird FIRST DROP der Schweizer Skate Punkband Grannysmith 20 Jahre alt und ist auch nicht mehr offiziell käuflich erhältlich. Grund genug, uns dieses Album aus dem Schrank zu ziehen, um es wieder aufleben zu lassen. Gegründet im Jahr 1999, durften wir im Veröffentlichungsjahr des Albums die Band live im Szene-Club Contrast in Konstanz erleben. Prompt krallten wir uns am Merchstand die CD, denn Schlagzeuger Jakob, Bassist Benjamin und Samuel und Alexander, beide an Gitarre mit Gesang, rissen den Laden so richtig ab. Oft hatten Grannysmith, so sagte Suma, auch noch Iwan an der Trompete oder Reto am Saxophon mit am Start. Ob einer der beiden dabei war, können wir heute nicht mehr nachvollziehen. Dafür ist unsere Erinnerung so löchrig wie ein Schweizer Käse.
Trackliste
- Timmy
- Best Friend
- Penny Jane
- See good Things
- Regret
- Scuttlebut
- Beckham
- U
- Timelag
- Built to Resist
- Burning Flame
- Rubbish of a Breed
- Old Man
- Bulletproof
- Drown in your Money
- It´s all in my Way
Aus der Schweiz, nicht aus Kalifornien
Bereits nach den ersten Tönen und den ersten Gesangseinlagen über „Timmy“, der großes vorhat, fühle ich das Skateboard unter meinen Füßen, wie ich im sonnigen Kalifornien am Pier entlang slide und den schwedischen Punkrockern von Millencolin kurz Hallo sage. Dies ist keine These. Und wenn, dann wurde sie schon längst bewiesen. Bei „Best Friend“ wird das Thema jedem klar sein. Geprahlt wird mit etwas Ska Einfluss und wechselndem Tempo. Das on top gesetzte Blasinstrument trägt freudig zur Stimmung bei. „Penny Jane“ und „See good Things“ machen beim Tempowechsel mit, laden dann aber doch besser in der schnellen Phase zum Pogen ein. „Regret“ kommt als süßer Liebeskummer-Song daher, der aber mitnichten eine Ballade ist.
Keine Sympathie
Mit 49 Sekunden ist Titel Nummer 7 der Kürzeste und zugleich der Witzigste. „Beckham“ ist musikalisch aber nur 27 Sekunden lang. Die ersten 16 Sekunden gibt es ein Intro und die letzten sechs Sekunden werden für kein Instrument verschwendet. Der Name Beckham steht hier exemplarisch für manch andere, nennen wir sie einmal Künstler. Schlusswort im Text, das alles sagt: „I hate them all!“ Da geht es mit Unsympathie in „U“ glatt weiter. Wenn einen der Partner so richtig ankotzt, fallen schon einmal böse Worte. So auch bei Grannysmith. „So fuck you“ wird ausgiebig gesungen, aber sind im Booklet nicht auffindbar. „Timelag“ und vor allem „Built to Resist“ hätten gerne etwas mehr Schwung bekommen dürfen, zwingen aber niemanden zum Skippen.
Gott sei Dank – noch lange nicht rum
„Burning Flame“ ist mein persönlicher Liebling. Wunderbar emotional wird der Chorus zelebriert. Der Titel selbst strotzt nur so von Tempowechsel, -Brüchen und Stilen. „Rubbish of a Breed“ macht gleich so weiter und ist thematisch mit dem Thema Krieg und Rassen immer noch aktuell. Das Tanzbein darf bei „Bulletproof“ wieder in Richtung Ska/Reggae gefetzt werden. Grannysmith erklären uns ihre Welt. Sie kann nichts aufhalten, denn sie machen das, was sie sind und sind dadurch einfach mal kugelsicher. Mit 7,40 Minuten ist der Rausschmeißer „It´s all in my Way“ ungewöhnlich lang, denken wir, als wir auf die Titellänge anschauen. Interessant wird der Titel durch die kurzen, aber prägnanten Einsätze des Klaviers. Sanfte Klänge klatschen sich hier mit Punkrock Moshpit Attacken ab. Bravo. Nach 2,53 Minuten endet der Titel und es herrscht Ruhe. Wir warten bis zur Minute 3,34. Dann ertönen sanfte Klavier- und Gitarrentöne und Grannysmith bringen uns mit einem Hidden Track zum Schmachten. Nach Rückfrage bei Sänger Suma nennt sich der Titel „Eric“. Aber den müsst ihr euch selbst definitiv anhören. Doch nun kommt unser Schlusswort zu FIRST DROP. Hätten wir damals schon existiert, ständen hier 8 von 10 Punkten.
Das Interview
VRR: Berichtet bitte mit kurzen Schlagwörtern über die Entstehung von FIRST DROP.
GS: Freunde und Helden von uns, die kleinen Götter, ebenfalls aus Konstanz, hatten damals bei Böni Hahn im ELCH-Studio eine Platte aufgenommen, die unglaublich gut klang. Bietigheim-Bissingen, die Heimat von PUR und Kulinarik-Hochburg. 16 Songs inklusive Mix in zwei Wochen. Alles unbekannt, spannend und gut. Eigentlich nur positive Erinnerungen. Wahrscheinlich hat Böni zwischendurch gelitten, vor allem gegen Ende beim Mischen. Wir waren jung und unerfahren. Das war insgesamt aber wohl eher hilfreich. Es war eine sehr euphorische Zeit in den Katakomben des ELCH-Studios.
VRR: Wie kam es zu dem Bandnamen? Und hattet ihr musikalische Vorbilder?
GS: Ein Freund isst spätnachts am See einen grünen Apfel und macht den eindeutigen Vorschlag für den Bandnamen. Gegenwehr gibt es zu dieser Uhrzeit kaum mehr. Stille Wahl und zur Absicherung haben wir das gleich auf T-Shirts gedruckt. Vorbilder gab es viele. In der Region gab es eine lebhafte Szene mit Punkrockbands. Und wir haben natürlich die 90er Helden Millencolin, No Use for a Name, Bad Religion, NOFX und Pennywise rauf und runtergehört.
VRR: Welches war euer erfolgreichstes Album? Und auf welche schönen und auch unschönen Momente könnt ihr zurückblicken?
GS: Erfolg ist ein dehnbarer Begriff. Eigentlich waren beide punkigen Alben für unsere Verhältnisse sehr erfolgreich und bald einmal ausverkauft. Um 2006 gab es eine ganze Welle von Bestellungen aus Japan. MySpace-Zeitalter. Das letzte, akustische Album kam dann schon so halb in die CD-ist-tot-Ära und pünktlich zur Bandauflösung. Schade eigentlich, denn es ist schön.
VRR: Bitte erzählt doch kurz und knapp, wie ist der Stand der Band? Ihr existiert noch? Was kommt noch, was habt ihr vor?
GS: 2010 ist Alex für längere Zeit nach Amerika gegangen. Es war quasi eine Auflösung zur dauerhaften Fernbeziehung ohne Musik. Und irgendwann gab es dann ein biertrunkenes Versprechen, für eine Hochzeit unseres größten Fans wieder zu spielen. Und weil das Spaß gemacht hat, haben wir ein paar Extrarunden angehängt. Benjamin hat zwischenzeitlich vermeldet, dass er noch seine Fußballkarriere beenden will und am Bass pausiert. Für ihn eingesprungen ist Chäschpu, ein Freund aus alten Zeiten, den es ziemlich in den Fingern juckt. Aktuell gibt es immer wieder schöne Anfragen, immer wieder große Lust, aber leider nicht so viel Zeit. Unser letztes Konzert war beim 20-Jahre-Jubiläum der befreundeten Mundartpunkband Seemannsgarn. So Sachen können wir uns natürlich nicht entgehen lassen.
VRR: Was bringt die Zukunft für Grannysmith? Was habt ihr vor?
GS: Mit den Plänen ist es immer so eine Sache. Die Zuversicht ist groß, dass wir im losen Abstand weitere schöne Konzerte spielen, weiter Spaß haben und irgendwann, vielleicht zum 25 Jahre Jubiläum, irgendetwas Neues heraushauen. Vielleicht sogar Musik.
VRR: Wie steht ihr zu eurem Debüt FIRST DROP? Immer noch geil? War das euer Debüt? 2000 kam doch schon etwas?
GS: Der Zahn der Zeit nagt an allem. Aber es ist eigentlich ganz gut gealtert. Und immer noch fasziniert, was wir Anfänger mit unserem Debüt da geschafft haben.
VRR: Die Herren, vielen Dank für eure Zeit. Zu guter Letzt, wie immer in unseren Interviews, dürft ihr nun noch etwas an unsere Leser loswerden. Alles, was ihr wollt. Bitte sehr.
GS: Seid lieb zueinander, passt auf euch auf und hört gute Musik. Cheers Brosnan
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Mit Baujahr 1976 nicht mehr so ganz jung, bin ich im Herzen der Republik, in Anhalt aufgewachsen.
Mit 19 Jahren zog es mich nach Baden-Württemberg. Aufgewachsen mit Heavy Metal à la Metallica, Slayer und Kreator etc., pubertierte ich mit dem Punk, bis ich dann mit dem New York Hardcore erwachsen wurde. Es gilt: Ob Metal oder Punk, in deutsch oder englisch, Hauptsache mir gefällt´s.