Spotify & Co: Milliardenindustrie auf Kosten der Musiker
Über die Hälfte der Musik, die wir in Deutschland hören, wird gestreamt. Dagegen ist das einstige Erfolgs-Medium CD inzwischen weit abgeschlagen und schafft es nur noch auf 10%, wie die Goldmedia Studie 2022 ermittelte. Im gleichen Jahr schrieb Spotify, der Platzhirsch unter den Streamingdiensten, einen sagenhaften Umsatz von 11,73 Milliarden Euro. Auch für Major-Label, wie die Universal Music Group, hat das Streaming ein goldenes Zeitalter eingeläutet. Mit insgesamt 10,34 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2022, wobei vier Fünftel davon über das digitale Segment erwirtschaftet wurden, kann man nicht gerade behaupten, dass die Musikindustrie am Hungertuch nagt. Doch warum klagen immer mehr Musiker darüber, dass sie von ihrer Musik inzwischen nicht mehr leben können oder dass Streamingdienste dafür sorgen, dass ihre Musik nichts mehr wert sei?
Einmal kaufen oder 385-mal streamen
Habt ihr euch schon einmal gefragt, was ein Stream auf Spotify eigentlich wert ist? Wird ein Song mindestens 30 Sekunden abgespielt ohne zu skippen, spricht man von einem Stream. Spotify vergütet dafür 0,3 Cent, was erstmal nicht besonders viel klingt, zumindest für kleine Künstler. Ein kurzes Rechenbeispiel: man müsste also ein durchschnittliches Album mit 13 Tracks und handelsüblichen 15 Euro Verkaufswert über 385-mal streamen, um mit diesen Streams den gleichen Umsatz für den Musiker zu erreichen, wie wenn die CD gekauft wird.
Kleiner Umsatz statt gar kein Umsatz
Jetzt könnte man natürlich zum Medium CD plädieren, aufgrund des höheren Verkaufswertes. Doch wer die Geschichte der Musikindustrie in den vergangenen 20 Jahren reflektiert, versteht schnell, wie Streamingdienste überhaupt auf den Vormarsch geraten konnten. File-Sharing Plattformen wie The Pirat Bay sorgten in den 2000ern für massive Umsatzeinbrüche in der Musikindustrie. Musik wurde nicht mehr gekauft, sondern illegal gedownloadet. Schnell stellte sich die Frage, wie man diesem Trend entgegenwirken könnte. Spotify Gründer Daniel Ek und Martin Lorentzon lieferten die entscheidende Antwort. Nur ein attraktives und nutzerfreundliches Geschäftsmodell wie Spotify konnte die Hörer von den illegalen Plattformen weglocken und somit die Einnahmen der Musikindustrie wieder stabilisieren. Betrachtet man die Milliardenumsätze, ging der Plan wohl mehr als zufriedenstellend auf.
Nur ein kleines Stück vom Kuchen
Doch warum sind die Musiker trotz der riesigen Gewinnsummen und der Präventionsarbeit gegen Musikpiraterie immer noch nicht zufrieden? Wie die Statistik zeigt, bleibt nur ein Bruchteil der Erlöse am Interpreten selbst hängen. Die Band OK KID erklärt in einer Dokumentation des Bayrischen Rundfunks, dass die schlechten Deals der Labels einer der Hauptgründe dafür seien. Ein Standard Label-Vertrag sieht eine Verteilung von 20 zu 80 vor, bedeutet: 20% der Einnahmen erhalten die Künstler und 80% das Label. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, reduziert sich der ohnehin schon geringe Betrag für einen Stream nochmal um ein Vielfaches. OK KID haben aufgrund dieser ungünstigen Konditionen ihre Konsequenzen gezogen und sind laut ihren Aussagen deshalb nicht mehr bei einem Major-Label unter Vertrag.
Verträge sind sittenwidrig
Tim Renner ehemaliger CEO von Universal Music Deutschland (2001-2004) hält diese Verteilung inzwischen auch nicht mehr für zeitgemäß. Er spricht sich viel mehr für eine Verteilung von 50 zu 50 aus. Alles was sich weiter zu Ungunsten der Interpreten verlagert, hält er gerade zu für sittenwidrig. Als Grund nennt er, dass ein Label zu Hochzeiten der CDs und Vinyls noch einen viel größeren logistischen Aufwand hatte, um den Vertrieb zu regeln, wodurch eine größere Gewinnverteilung zu Gunsten des Labels durchaus gerechtfertigt war. Heutzutage verlagert sich die Zuständigkeit allerdings weitestgehend auf den Streamingbereich, wodurch die aufwendige Produktion, Planung von Transport und Lagerung der Produkte durch ein simples Hochladen von gemasterten Songs ersetzt wird.
Spannende Dokumentation
Die Komplexität des Themas Streamingdienste hat der Bayrische Rundfunk in einer dreiteiligen Dokumentation spannend aufgearbeitet. Dort kommen außerdem Künstler wie Jennifer Rostock oder Peter Maffay zu Wort und der umstrittenen Thematik „Geistermusiker“ wird nachgegangen.
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