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Konzert vs. Couch

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„Wo ist heute die Jugend von gestern?“, so singen es die Bitterfelder Goitzsche Front in einem Song. Tatsache ist, wir sind nicht mehr die, die wir gestern waren. Die Pandemie hat jeden einzelnen von uns auf seine eigene Art und Weise geprägt. In diesem Bericht möchte ich einmal auf die Zeit vor, während und nach Corona eingehen und auch wie es die Veranstaltungsbranche, genauso wie uns, verändert hat.

Vor und während Corona

Vor dem März 2020 war die Welt noch voll mit Musik, wir hatten ein Überangebot. Hattet ihr da auch Wochenenden, an denen ihr am liebsten auf vier Veranstaltungen gleichzeitig sein wolltet? Ich auf jeden Fall. Für mich persönlich war 2019 mein konzertreichstes Jahr. In diesem Jahr war ich jedes zweite Wochenende auf mindestens einem Konzert und bin über 10.000 km für Bands von klitzeklein bis ganz groß gefahren. Im selben Jahr kreuzten meine Wege auch die von Vollgas Richtung Rock. Ich freute mich dann auch auf zahlreiche Festivals und hortete bereits im Dezember 2019 so einige Festivalkarten. Im März 2020 nahm dann das Unheil seinen Lauf, man sprach in den Medien von einer tödlichen Krankheit. Ab Mitte März wurde dann schließlich auch alles an Veranstaltungen abgesagt. Wir waren zu einem Leben ohne Kunst und Kultur verdonnert. Vielen von uns fiel das gar nicht auf, denn eine kurze Auszeit tut jedem einmal gut. Wir freundeten uns mit Netflix und Co. an. Unser Leben ging in Lethargie unter. Ich wurde förmlich zu einem Sesselfurzer.

Heute 

Wir stehen an einem Wendepunkt, der eher ins Schlechte geht. Warum? Einige Bands haben während der zwei Jahre Auftrittsverbot gemerkt, dass es noch etwas anderes als Musik im Leben gibt und haben ihre persönlichen Prioritäten neu sortiert. Die meisten von ihnen haben sich dann für das Ende ihrer Projekte entschieden, manche sind in den Schlummermodus gewechselt und sammeln hoffentlich nur Kraft für ihr Comeback. Festivals und Konzerte gingen wieder los und damit dann auch die Probleme. Es wurden Veranstaltungen aus zwei Jahren nachgeholt und irgendwo reingequetscht, wo noch Luft war. Die meisten hatten dadurch drei Konzerte an einem Tag. Was uns früher Freude machte, artet heute in Stress aus. Die meisten haben es gänzlich aufgegeben, denn bevor eine Veranstaltung wieder abgesagt oder verschoben wird, kauft man erst gar keine Karten und hofft auf eine Abendkasse. Die meisten Veranstaltungen entscheiden sich jedoch anhand des VVK und läuft der nicht gut, wird die Veranstaltung abgesagt.

Couch oder Ausgehen 

So stehen wir am Ende an einem kritischen Punkt. Diejenigen, die immer fleißig Karten kaufen und vermutlich noch Karten von 2020 daheim haben und die, welche auf eine Abendkasse hoffen. Was macht jedoch am Ende die Couch so attraktiv im Vergleich zum Konzert? Die wenigsten wohnen, wie ich, in einer Großstadt und müssen vorwiegend weite Fahrtwege in Kauf nehmen. Dies führt dazu, dass man in erster Linie bei der Entfernung Abstriche macht. Dann kommen zu den Spritpreisen die Kosten für das Ticket, die Verpflegung und eventuell ein Hotel. Da entscheidet sich so manch einer lieber für den Pizza Lieferdienst daheim mit Netflix. Und ja, am Ende sind es nur drei bis vier Faktoren, die eine Entscheidung für oder gegen eine Veranstaltung machen. Aber das sind halt die Faktoren, die auch entscheiden, ob dieses Event stattfindet. Ich weiß, dass für viele auch die Arbeit ins Gewicht fällt, da nicht jeder ein Standardwochenende hat. Es geht hier für mich jedoch um ein Grundschema.

Ich kann nur von mir reden, aber als ich noch in meiner Kleinstadt gelebt habe, war mein Fahrtradius für eine Strecke 200 km, also so ca. zwei Stunden Autofahrt hin und das gleiche noch einmal zurück. Dabei war es mir egal, wer spielt und nur wichtig, worauf ich Lust hatte. Es muss nicht immer die ganz große Band aus Südtirol sein. Manchmal spielt genau im Nachbardorf eine coole Band, die es genauso verdient hat. Am Ende lebt man nur einmal und man hat im Monat vier Wochenenden, da kann man eines auch einem Konzert widmen. Bildet Fahrgemeinschaften und entdeckt gemeinsam die Musikwelt neu. Manchmal sind zwei Konzerte à 15 Euro viel entspannter und aufregender, als ein 80 Euro Konzert.

Redaktionell verantwortlich für diesen Artikel:

Als Nachwende-Kind '95 geboren, bin ich im Herzen dennoch ein kleiner Ossi. Zum Deutschrock kam ich 2009 eher durch Zufall. Heute höre ich eine bunte Mischung von Punkrock bis Metalcore. Meistens trifft man mich jedoch bei den kleineren Bands. Seit 2019 schreibe ich für VRR und seit 2022 begleitet mich meine Kamera Berta. Mein Lebensmotto ist „Das Leben muss rocken!“

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