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Halt-deine-Schnauze! Mailorder

der Versandhandel mit sozialer Ader

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In der württembergischen Stadt Winnenden, unweit der Landeshauptstadt Stuttgart, ist der „Halt deine Schnauze Mailorder“ zu Hause. Für viele DER Name, der unweigerlich mit dem Deutschrock-Merchandise verbunden ist. Dennoch steckt bei näherer Betrachtung so viel mehr dahinter. Wir haben Mitbegründer Andy Kamm zum Gespräch gebeten und für euch einmal hinter die Kulissen des wohl größten und erfolgreichsten Deutschrock-Versandhauses geschaut.

Als eines von mehreren Projekten der „ProTrade Integra gGmbH“ beginnt die Geschichte von „HDS-Mailorder“ 1994 unter dem Namen „Nix Gut-Records“. Damals von den Brüdern Jürgen und Andy Kamm gegründet, um die Platten der eigenen Punkband „S.i.K.“ besser an den Mann bringen zu können, startete das eher unprofessionell. So lagerten die ersten CD´s von 10 oder 20 verschiedenen Bands in einer Ecke des Schlafzimmers.

Heute stehen wir auf dem riesigen Gelände eines hochmodernen Betriebs, der bis unter die turmhohen Hallendecken mit Merch diverser Bands und Musiker aus verschiedensten Musikrichtungen gefüllt ist. Zu den bekanntesten Kunden gehören Deutschrockgrößen wie Frei.Wild, Unantastbar und Krawallbrüder.
Durch den als „Hakenkreuz-Prozess“ bekannt gewordenen 2jährigen Gerichtsprozess (2005-2007), erlangte die gGmbH bundesweite Aufmerksamkeit auch außerhalb der Szene. Die Kamm-Brüder, die seit jeher bekennende Antifaschisten sind (nicht zu verwechseln mit der Antifa), wurden in einer beispiellosen Hetzjagd der Verbreitung verfassungsfeindlicher Symbole beschuldigt. Auslöser war der Verkauf von Shirts mit einem durchgestrichenen Hakenkreuz. In letzter Instanz endete der Prozess mit einem astreinen Freispruch für die Brüder und ihre Firma.

ProTrade Integra

Doch was steckt hinter dem großen, zusammenfassenden Namen „ProTrade Integra“, den die meisten von euch nur als Empfänger bei den Überweisungen nach dem Shoppen im „Halt-deine-Schnauze!“-Online-Shop kennen?

Jürgen und Andy Kamm hatten durch Beruf und Verwandtschaft immer wieder Kontakt zu Menschen mit Behinderung. Auch solchen Menschen sollte ein Platz in ihrer Firma zu Teil werden. Als 2001 der erste Mitarbeiter angestellt werden musste, wollte man hier einem Menschen eine Perspektive geben und so wurde ein Mitarbeiter mit Behinderung eingestellt, der bisweilen durchs soziale Raster gefallen war.HDS

Um dem Ganzen einen angemessenen Namen zu verleihen, wurde die „Nix Gut GmbH“ 2013 zur „ProTrade Integra GmbH“ (Production, Trade, Integration) umbenannt. Integration und Inklusion ist hier kein modernes Wort, sondern hier wird genau dies gelebt. Auf diesem Weg konnte eine Firma entstehen, die mittlerweile ca. 60 Mitarbeiter beschäftigt, davon 30 mit Behinderung. Integration bezieht sich aber nicht nur auf Menschen mit Einschränkungen. Aufgrund dessen befinden sich aktuell ebenfalls 6 Flüchtlinge im Angestelltenverhältnis und besetzen überwiegend in der Druckwerkstatt Schlüsselrollen des Erfolges von „ProTrade“. 2007 wurde mit dem Start des eigenen Textildrucks der Grundstein für diesen heutigen Erfolg gelegt. Nun war es möglich, dass den Kunden ein Komplett-Paket, bestehend aus Produktion, Lagerung, Versand und Betreuung des Online-Shops, angeboten werden kann. Auch die Live-Betreuung während der Tour zählt zu dem Service, der das Paket auf Wunsch abrundet.
Aus dem kleinen Karton neben dem Bett wurde ein Betrieb, der im vergangenen Jahr über 500.000 T-Shirts druckte und 150.00 Pakete versandte.

Soziales Engagement

„Es ist eine schwere Grätsche zwischen dem sozialen Engagement und der schwarzen Null. Wir könnten riesengroße Gewinne einfahren, wenn wir Menschen mit voller Arbeitskraft einstellen würden. Wir haben Angestellte, die haben eine Arbeitsleistung von 30%. Da ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis ein Null-Summen-Spiel. Aber darum geht es ja. Wir geben Menschen Arbeit, die sonst durchs Raster fallen würden und so definitiv Hartz4-Empfänger wären.“, so Andy Kamm. „Alle Mitarbeiter sind sozialversicherungspflichtig angestellt und bekommen mindestens den Mindestlohn. Aber es gibt eben auch Mitarbeiter, selbst, wenn die keinen Lohn bekommen würden, wäre es billiger, wenn wir sie nicht beschäftigen würden. Aber wir finden für jeden etwas, was für seine Fähigkeiten passend ist. Auf dem freien Arbeitsmarkt sind unsere Mitarbeiter teilweise nicht vermittelbar.“ So werden alle möglichen Facetten der Handicaps, angefangen mit Taubheit und Blindheit bis hin zu Autismus und diversen psychische Einschränkungen, angetroffen.

Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass auch der eine oder andere Fehler auftritt. Mit einem Schmunzeln im Gesicht erzählt Andy: „Da war zum Beispiel eine Bestellung von einem Poster. Der Kunde wollte das Plakat logischerweise gerollt geliefert bekommen. Es kam leider gefaltet bei ihm an und wie soll es auch anders sein auch die Ersatzlieferung wurde wieder gefaltet. Aber so was passiert halt. Wir haben auch Mitarbeiter, denen kannst du 5mal am Tag sagen, dass sie ihren Arbeitsplatz aufräumen sollen, aber am Ende des Tages sieht es wieder so aus. Das gehört hier eben dazu.“ Auch wird von einem Paketklebebandroller erzählt, der mit eingepackt wurde und so als Überraschungsbeilage im Karton beim Kunden eintraf. Dies sind einige der Anekdoten, die zwar nicht alltäglich vorkommen, aber dennoch einen Einblick in die Schwierigkeiten dieses ambitionierten Vorhabens geben.

Gemeinnützige GmbH

Die „ProTrade Integra gGmbH“ und damit auch „Halt- deine- Schnauze! Mailorder“, ist eine gemeinnützige GmbH (gGmbH). Das heißt, Gewinne dürfen nicht an die Gesellschafter ausbezahlt werden, sondern müssen in die Behindertenarbeit refinanziert werden. Das nicht einfache Ziel in dieser schwierigen Konstellation ist die schwarze Null am Ende des Jahres. Mit jeder Bestellung über die Projekte von „ProTrade“, wie z.B. „HDS-Mailorder“ oder „Nix Gut“, unterstützt ihr diese Vision.
Darum behaltet immer im Hinterkopf, auch wenn bei eurer Bestellung unerwünschter oder fehlender Inhalt zu beklagen ist, dass ihr das Ganze mit einer gutmütigen Gelassenheit angehen lassen solltet und euch daran erinnert, was ihr mit der Bestellung Großartiges bewegt habt. Eine kurze und freundliche Info an den zuständigen Online-Shop und euch wird definitiv weitergeholfen und euer Problem gelöst.

An dieser Stelle möchten wir hier Jürgen und Andy Kamm unseren größten Respekt aussprechen, für ihr Engagement, den Mut und die Energie über mehr als 2 Jahrzehnte an dieser Idee festgehalten zu haben. Danke, von euch müsste es mehr auf der Welt geben.

Redaktionell verantwortlich für diesen Artikel:

Über mich: 28 Jahre jung, wohnhaft im Herzen der Republik in Sachsen-Anhalt, begeisterter Deutschrocker und Festivalgänger.
Angefangen bei Vollgas Richtung Rock habe ich als Schreiberling in der Redaktion. Schnell fand ich aber auch Spaß an anderen Wegen der Berichterstattung. So bin ich seit einiger Zeit auch in dem einen oder anderen Bühnengraben mit der Kamera in der Hand vertreten.
In meinem bürgerlichen Leben verdiene ich mir meine Brötchen als Pflegegutachter im Mansfelder Land.

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