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Review “Chaospoesie”, Drunken Swallows VÖ 21.09.18

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Die nördlichen Landen unserer Republik sind für vieles bekannt: Matjes, Watt und Meer, das riesige Hafenareal in Hamburg mit beeindruckenden Schiffen , aber auch als Keimzelle für richtig guten Punkrock. Seit den 70ern erblühte diese Musikgattung und Lebenseinstellung in den Regionen in und um die Hansestadt und auch heutzutage noch reichen ihre Ausläufer über die Stadtgrenzen hinaus. Ja, sogar bis nach Oldenburg in der Region Holstein direkt an der Ostsee. 2009 erblickten hier die Drunken Swallows das Licht der Punkrockwelt. Was als Duo mit Frank Hoffmann (Gitarre und Gesang) und Pit Weidemann

(Schlagzeug) begann, entwickelte sich in den vergangenen 9 Jahren zum Rockquartett, das sowohl live als auch aus der Konserve die Bude zum Wackeln bringt.

Neue Scheibe ab 21. September
Mit dem einsetzenden Herbst fliegen nun nicht nur die Blätter durch die Luft, auch die Schwalben verlassen wieder das Nest und versorgen die lüsternden Ohren mit neuen Klängen. Am 21. September erscheint ihr siebtes Werk “Chaospoesie” und verspricht neben den typischen “Messer in die Wunde”-Themen auch lyrische Schmankerl bereit zu halten. Schwierige Lebenssituationen beleuchten, kritisch auf Misstände aufmerksam machen – aber nicht nur platt mitten ins Gesicht, sondern verpackt in lyrischen Arrangements begleitet von treibenden Gitarrensounds – das ist die Kombination, die ihre Hörer begeistert.

“Chaospoesie” kommt mit einem nach G20 klingendem Intro und 12 Tracks um die Ecke. Nach dem Vorspiel geht es mit “Chaospoesie” gleich zum namens-gebenden Stück der Platte und mit hart melodischen Klängen direkt ans Eingemachte. Zwischen Realität und Traum, Richtig und Falsch, Chaos und der Schönheit der Sprache liegen oft Welten – aber manchmal auch nur eine Haaresbreite – letztendlich muss jeder seine eigenen Definitionen finden.

Liebesschmerz – aber bitte ohne Schmalz

Trennungen sind im Leben nie einfach. So schön wie die Liebe sein kann, umso grausamer ist sie, wenn sie nicht auf Gegenliebe stößt. Aber richtig hart sind Entscheidungen, die nur im Kopf getroffen werden können, obwohl man seinen Partner noch über alles liebt. In Lied Nummer Sieben “Ich tu´s für Dich” arrangieren sie untypisch den Zwiespalt zwischen Verlustangst und der Gewissheit, die Liebste nur durch getrennte Wege wieder glücklich zu machen, im Gewand von schnellen Rhythmen. Die Passagen wie: “Ich lass dich frei, weil ich dich liebe. Vergessen werde ich dich nicht. Geh deinen Weg, ich wünsch dir Glück, ich tu´s für dich”, hätte man eher in einer Ballade erwartet, treffen aber in dieser schnell-rockigen Variante direkt ins Mark.

Klare Aussagen

[amazon_link asins=’B07FDN2H43′ template=’ProductAd_VRR’ store=’vrr02-21′ marketplace=’DE’ link_id=’a7f3db1f-bac5-11e8-a545-db7c910287ee’]Ein eindeutigeres Statement gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit kann man nicht setzen. Mit “Wo stehst du?” fordern sie aktiv jeden dazu auf, Flagge zu zeigen. In Zeiten der täglichen Diskussionen über Menschenmafia, ertrinkenden Kindern im Mittelmeer, falsche Asylpolitik unserer Regierung, Spekulationen über mordende Afghanen in Chemnitz und einer folgende Hetzjagd ist Wegschauen auf alle Fälle der falsche Weg. Hart provozierend mit Textzeilen wie “Deutschland, du kannst uns mal, kein Mensch ist illegal. Wir stellen uns nicht dazu. Wir stehen dagegen, wo stehst du?”, verlangen sie den Verstand zu nutzen und sich nicht dem medial hetzendem Sog hinzugeben.

Jetzt wird´s ruhig

Den Abschluss der Platte macht die emotionale Ballade “Über den Dächern”. Mein absoluter Lieblingssong des Albums, weil er es schafft, einen perfekten Spagat zwischen Melancholie und Optimismus hinzulegen, gepaart mit der sanft rauen Stimme Frank Hoffmanns. Auf dem Album mit Akkustik- und E-Gitarre begleitet, hat er etwas mehr Druck als in der Unplugged-Version, die auf der Singleauskopplung “Ich tu´s für Dich” zu finden ist. Aber für die ganz ganz ruhigen Momente im Leben können die elektronischen Saiten auch mal verstummen. Was bleibt ist eine tief treffende Stimme und der Blick auf einen Morgen ohne die Sorgen des Alltags, mit einem Lächeln auf den Lippen.

Fazit

Wer mit Vorfreude dem 21. September entgegenfiebert, macht das mit gutem Recht. Nach den beiden letzten Alben war auch ich sehr gespannt, ob sie mit der neuen Scheibe an die

beiden Vorgängerplatten anknüpfen können. Mit dem facettenreichen Werk bestätigen die Vier wieder ihr Können in Sachen Punkrock. Die Songs sind thematisch auf den Punkt gebracht, sprachlich anspruchsvoll und laden dennoch zum Mitsingen ein. An der ein oder anderen Stelle hätte ein längeres Gitarren-Solo als Highlight glänzen können – aber das ist Kritik auf hohem Niveau. Wer auf Punkrock steht, der sowohl ins Ohr geht als auch politisch unbequem ist, bei dem darf diese Platte nicht in der Sammlung fehlen.

Live können sie richtig – das stellten die Jungs nicht nur schon auf diversen hochrangigen Festivals, sondern auch als Mainsupport der Südtiroler Punkband Unantastbar auf ihrer “Hand aufs Herz-Tour” 2016 unter Beweis. 2017 folgte die eigene Tour durch die bekannten Rockclubs Deutschlands. Und damit auch die neuen Töne unters Volk kommen, folgt im Oktober die dazugehörige “Chaospoesie”-Tour!

Redaktionell verantwortlich für diesen Artikel:

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