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Scheiss Drauf Festival – Nachbericht

Auferstanden aus Ruinen

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Am vergangenen Wochenende konnten wir eine Premiere miterleben, die so hätte niemals stattfinden sollen. Das Scheiss Drauf Festival, aus der Not entstanden, erblickte das Licht der Deutschrockszene und begeisterte innerhalb von 48 Stunden seine teils mit Skepsis angereisten Besucher. Doch schauen wir noch einmal ein paar Tage zurück. Was waren das für vergangene zwei nervenaufreibende Wochen? Was war das für ein Ruck, der durch die Szene ging, als am 31.Juli, acht Tage vor Beginn, das Aus des Deutschrock Festivals verkündet wurde? Mit einem Lineup zum Niederknien wäre hier im Osten endlich mal was los gewesen und dann so was! Prompt war das Netz gefüllt mit Mitleidsbekundungen und enttäuschten Kommentaren. Natürlich ließen die Zeterer, Motzer und Stänkerer nicht lange auf sich warten und schnell wurden die entsetzten und betroffenen Kummeräußerungen von wütenden und teils grenzüberschreitenden Hasskommentaren, bis hin zur selbstzufriedenen Schadenfreude, abgelöst.

Unter diesem Wust an Bemerkungen ließ sich dennoch ein kleiner Lichtstreif erkennen. Kein geringerer als Steffen Kiederer, Mitorganisator der G.O.N.D, nahm sich des gescheiterten Schicksals an und stemmte mit Hilfe der Online-Community das DRF unter neuem Namen und an anderer Stelle aus dem Boden. Unter dem Motto „Scheiss Drauf“ wurden kurzerhand Bühnentechnik, Sanitäranlagen, Elektrik, Zeltplatz und Festivalgelände am Rande der Lutherstadt Eisleben organisiert. Im Wiesenhaus sollten die weiterhin gut motivierten Feierwütigen nun doch noch auf ihre Kosten kommen. So folgten rund 600 Besucher dem Ruf des Scheiss Drauf Festivals zu dem Gelände, welches dem einen oder anderen durch die Eislebener Wiesen bekannt sein dürfte. Jedem war zwar klar, dass man für weniger Zeit anreiste als geplant, aber dennoch waren alle froh, dass sie für mehr Tage bleiben konnten, als man es nach den letzten Wochen erwartet hatte.

Weniger Zeit, mehr Power – Freitag

Einen Tag später als ursprünglich geplant startete das spontan entstandene Festival. Freitagvormittag reisten die ersten Deutschrocker an und schlugen ihre Lager für die ungewöhnlich wenigen Übernachtungen auf dem provisorischen Zeltplatz auf. Wer sich trotz all dem Hin und Her in die Lutherstadt gewagt hatte, hatte definitiv gute Laune im Gepäck und reichlich Feierstimmung im Blut. Hier machte sich schon das Motto der Veranstaltung unter den Anwesenden bewährt; egal was war, Scheiss Drauf, wir geben trotzdem ordentlich Gas.

So sahen es auch die ersten Bands des Tages. Kneipenkavalliere und Hörsturz Moers eröffneten die Festivalneuauflage in Luthers Geburtsstadt, gefolgt von Harzinfarkt und Helden schwarzer Tage. Gut gefüllt fanden dann die Jungs von Wir gegen uns den Saal vor und teilten sich mit Delirium Rock’n’Roll die Mitte der Runningorder. Während die Stimmung auf der Fläche schon mächtig am kochen war und der Schweiß die aufgeheizten Wände herunterlief, schnappten einige nochmal die dringend benötigte Frischluft, bevor The Ape Escape die Bühne betrat. Die Magdeburger Kombo war die erste Band, die das Treiben unsicher machte, obwohl sie nicht auf dem ursprünglichen Lineup des DRF standen. Mit einer stabilen Leistung stimmten sie die Menge auf King Kongs Deoroller ein. Die Band um Veranstalter Steffen Kiederer wurde nicht nur wegen der musikalischen Darbietung mit großen Applaus empfangen, sondern ebenfalls aus Dankbarkeit und Respekt für die Leistung, die ihr Sänger in Sachen Festivalorganisation in den letzten Tagen geboten hat.

Highlight des Auftritts war die gemeinsame Performance mit Wilde Jungs Frontmann Theisen, welche perfekt als Appetizer für den nachfolgenden Auftritt fungierte. Lange mussten die Besucher im Vorfeld auf eine Reaktion der Wilden Jungs warten, bis sie doch noch kurz vor knapp dem SDF zusagten und sich den Headliner Slot sicherten. Jetzt erreichte die Stimmung ihren Höhepunkt, wollten sich doch die meisten der Anwesenden eine der letzten Shows der Gruppierung aus Fulda nicht entgehen lassen. Auch der Pogo an diesem Tag gipfelte zu dem Sound der Wilden Jungs und entzog den Zuschauern ihre letzten Energiereserven. Wer dennoch weiter durchhielt bekam mit Zaunpfahl im Nachgang einen weiteren der vier Lineupzugänge zu sehen. Diese hatten sich als einer der Ersten auf Kiedis Aufruf gemeldet und wurden prompt bestätigt. Versus verliehen dem Auftakttag ein souveränes und gelungenes Ende und wurden auch von den letzten Tanzwütigen noch begeistert gefeiert.

Ein letztes Mal „mehr Hass“ – Samstag

Bereits kurz vor 11 Uhr standen gute 100, erstaunlich fitte Deutschrocker vor der Bühne. Dieser Umstand sei zum Teil Frontmann Philipp von Eager To Travel geschuldet, welcher bereits seit Freitagnachmittag, aber auch schon in den frühen Morgenstunden dieses Tages die große Werbetrommel für sich und seine Band gerührt hatte und auf dem Campingplatz auf Hörerfang war. Sowohl mit eigenen Songs, als auch mit Coversongs, unter anderem von den Onkelz und Kärbholz, heizten die 5 Dessauer den Anwesenden ein und stellten klar, dass sie verdient auf dieser Bühne stehen und ihre Befürworter recht behalten sollten.
Die befreundete Gruppierung Infizierte Propheten konnte sich an einem wohl animierten Publikum erfreuen und die Stimmung für einen guten Auftritt nutzen. Ruhiger wurde es beim folgenden Act mit Scheissdrauf. Mit Akustikgitarren und Kistentrommel war es ein Auftritt, der gefühlvolle Klänge hervorbrachte, aber dennoch eine gleichbleibende Hörerschaft in die erste Reihe lockte.

Härter und schneller wurde es dann wieder mit Unbelehrt. Schlussakkord, die von den Egoisten mit ihrem niedersächsischen Oi- Rock abgelöst wurden, konnten mit ihren Nachfolgern noch einmal eine Schippe drauflegen. Rockwasser und Enorm hielten die Stimmung auf einen grandiosen Level, für das, was kommen sollte. Gepflegt arrogante Töne aus Österreich brachten die vier Freunde von Wiens No.1 mit nach Eisleben und gaben neben ihren eigenen Songs auch traditionell “Auf gute Freunde” zum Besten. Dass der Onkelz-Klassiker zum zweiten Mal an diesem Abend aus den Boxen dröhnte, tat der Stimmung keinesfalls einen Abriss, eher das Gegenteil war der Fall. Die Hamburger Oi- Band Rotz&Wasser pushten die Stimmung noch ein weiteres Mal, um das Publikum auf den nachfolgenden Headliner vorzubereiten.

Zeitnah nach der Verkündung des Scheiss Drauf Festivals sicherten die Krawallbrüder ihre Teilnahme zu und traten aus dem fernen Saarland die Reise zu ihrer letzten Show der “Mehr Hass”-Ära an. Dieser letzten Show wurde alle Ehre gemacht. Während die Brüder die Bühne auseinandernahmen, feierte das Publikum jedes einzelne Lied. Als nach 70 Minuten Pascals Stimme verstummte, hat das SDF einen würdigen Abschluss gefunden und alle waren sich einig, dass die Reise in die Lutherstadt Eisleben keinesfalls verschwendete Zeit war. Mit den Kneipenterroristen folgten für die noch Anwesenden einige Sauflieder bis die fünf Oberfranken von Asphalt den Sack zu machten und als vierte der hinzugestoßenen Acts noch einmal zeigten, dass es keinesfalls ein Fehler war, das ursprüngliche Lineup durch Neubesetzungen zu bereichern.

Fazit:

Steffen Kiederer und seine Helfer können mehr als nur zufrieden auf das Erreichte blicken. Ein bisschen Stolz dürfte da wohl auch mitschwingen. Es bedarf eine gehörige Portion Mut und großes Organisationstalent, um sich einen solchen Trümmerhaufen wie diesen anzunehmen und innerhalb weniger Tage ein kaum vorhandenes Veranstaltungskonzept auf diese Art und Weise umzusetzen. Um es passend zur Region in Ossi-Worten auszudrücken; Auferstanden aus Ruinen. Die Gäste des SDF waren jedenfalls sichtlich erfreut über die gebotenen Tage, einerseits, weil sie ihr freies Wochenende doch noch rockig verbringen konnten, andererseits, weil alles viel besser ablief, als man es vor noch wenigen Tagen hätte erwarten können.

Natürlich ließen sich Dinge finden, die alles andere als optimal liefen, wie zum Beispiel die teils sehr langen Warteschlangen an der Bar oder die unerträglich warmen und verschwitzten Temperaturen im Innenraum. Aber wer möchte diese Vorkommnisse den Veranstaltern aufgrund der kurzen Organisationszeit anlasten, zumal ein stetiges Arbeiten an Problemen erkennbar war?! So waren die Temperaturen am Samstag schon wesentlich angenehmer als Freitag und das Personal hinter der Bar besser aufgestellt. Es werden sich sicherlich, wie überall die Nörgler finden, die IMMER etwas auszusetzen haben. Doch sich dazu zu äußern, ist mir nach den erlebten grandiosen Stunden nur auf eine Art und Weise möglich. Liebe Motzer, eure Meinung, ich SCHEIß DRAUF!!!  Und Scheiß drauf ist nur einmal im Jahr.

Wir freuen uns auf eine Neuauflage 2020, welche bereits bestätigt ist und sind gespannt, über welche Veränderungen wir nächstes Jahr berichten können.

Redaktionell verantwortlich für diesen Artikel:

Über mich: 28 Jahre jung, wohnhaft im Herzen der Republik in Sachsen-Anhalt, begeisterter Deutschrocker und Festivalgänger.
Angefangen bei Vollgas Richtung Rock habe ich als Schreiberling in der Redaktion. Schnell fand ich aber auch Spaß an anderen Wegen der Berichterstattung. So bin ich seit einiger Zeit auch in dem einen oder anderen Bühnengraben mit der Kamera in der Hand vertreten.
In meinem bürgerlichen Leben verdiene ich mir meine Brötchen als Pflegegutachter im Mansfelder Land.

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